Rebecca (1940)
Als Alfred Hitchcock mit seiner Frau Alma und seiner Tochter Patricia in die Vereinigten Staaten übersiedelte, um sich dort unter die Fittiche von David O. Selznick zu begeben, der mit „Vom Winde verweht“ gerade einen Jahrhundertfilm produziert hatte, war er 41 Jahre alt – ein erstaunlich junges Alter dafür, dass sich bereits 23 Filme (innerhalb von 15 Jahren) in seiner Vita befanden und er sich nicht zuletzt durch seinen Thriller-Sechserpack, angefangen bei „The Man Who Knew Too Much“ über „Die 39 Stufen“ bis hin zu seinem wohl besten Frühwerk „Eine Dame verschwindet“, einen über die britischen Heimatgrenzen hinaus hallenden Ruf als einer der besten Regisseure seiner Zeit erarbeitet hatte.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis er sein Talent auch in Hollywood ausleben wollte, zumal die britische Filmindustrie bei weitem nicht mehr Schritt halten konnte mit den technischen Bedingungen in anderen Ländern, allen voran denen in den USA. Hitchcocks erste Arbeit sollte die Verfilmung des von Daphne du Maurier verfassten Romans „Rebecca“ werden, der sich kurz zuvor zu einem weltweiten Bestseller entwickelt hatte. Darin lernt eine junge schüchterne Frau (Joan Fontaine) den reichen Maxim de Winter (Laurence Olivier), dessen Frau Rebecca erst vor kurzer Zeit bei einem Segelausflug ums Leben kam, kennen und lieben. Doch die zunächst unter geradezu wie aus einem Kitschroman entsprungenen Umständen zustande kommende Romanze (Maxim entreißt seine neue Freundin deren launischer Arbeitgeberin am Tag ihrer Abreise, indem er ihr einen Heiratsantrag macht und sie mit zu sich nimmt) erhält erste Risse, sobald die neue Mrs. de Winter im herrschaftlichen Anwesen ihres Gatten ankommt: Obwohl von außen von einer umwerfenden Schönheit, entpuppt sich Manderley als düsterer Ort, in dem Rebecca auch nach ihrem Tod noch immer allgegenwärtig ist. Die ohnehin verunsicherte junge Frau sieht sich mit dem Schatten einer Frau konfrontiert, der so groß ist, dass sie nicht gegen ihn ankommt...
Auch wenn Hitchcock bei den Dreharbeiten unter den kritischen Augen seines mächtigen Chefs Selznick nicht die künstlerischen Freiheiten genießen konnte, die ihm seine Produzenten in Großbritannien gewährt hatten, und so manch für ihn schmerzliche Niederlage gegen ihn einstecken musste, was seine eigenen Vorstellungen von der Umsetzung des Romans anging, wurde „Rebecca“ - uraufgeführt am 27. März 1940 - ein großer Erfolg bei Kritik und Publikum. Für elf Oscars nominiert, darunter auch Hitchcock für die Beste Regie, erhielt das Werk letztlich zwei Auszeichnungen für die Beste Kamera und den Besten Film. „Rebecca“ ist dabei kein typischer Hitchcock-Film, sondern trägt mit seinen teilweise dick aufgetragenen melodramatischen Elementen eher Selznicks Handschrift. Allerdings versteht es Hitchcock bereits hier, eine unheilvolle Spannung und fast traumhafte Stimmung zu erzeugen, wie er sie später u.a. auch in „Vertigo“ so beeindruckend einzufangen wusste. Dabei werden Manderley und die tote Rebecca sozusagen zu gleichberechtigten Hauptfiguren, die ihre unsichtbaren Hände um den Hals der hilflosen und bis zum Schluss namenlos bleibenden neuen Mrs. de Winter legen, während die Haushälterin Mrs. Danvers (Judith Anderson), die Rebecca vergötterte, zur Erfüllungsgehilfin dieser nicht greifbaren Kraft wird – mit dem einzigen Ziel, ihre neue Herrin wieder loszuwerden.
Trotz der positiven Resonanz wurde Hitchcock mit „Rebecca“ letztlich nicht wirklich glücklich. Dies sollte sich erst ändern, als er sein eigener Chef wurde und Mitte der 50er bis Anfang der 60er Meisterwerke am laufenden Band produzieren konnte, befreit von der Hand störender Studiobosse...
Wem die deutschen Veröffentlichungen zu mager erscheinen, sollte nach der Doppel-DVD von Criterion Ausschau halten: Fassungseintrag von ovca12
Ein Beitrag von Stefan M
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