Monte Cristo (1922)

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von PierrotLeFou

Vor 100 Jahren: Literarische Helden auf der Leinwand

Stichwörter: 1920er Abenteuer Coogan Dickens Drama Dumas Dwan Fairbanks Flynn Gilbert Jubiläum Klassiker Literaturverfilmung Lloyd Spielfilm Stummfilm USA

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Monte Cristo (1922) & Robin Hood (1922) & Oliver Twist (1922)

Der 23. April ist seit nunmehr 27 Jahren der Welttag des Buches. Grund genug, um hier wieder einmal außer der Reihe ein paar Bonustitel unterzubringen. Immerhin hatte der Stummfilm in den 10er Jahren zunehmend (und nicht ohne Gegenstimmen) versucht, sich über die Nähe zu großer Literatur das Ansehen bei Kritik und Publikum zu sichern. In Hollywood sicherte man sich um 1920 vielfach prominente literarische Stoffe, die auch zugkräftig genug zu sein schienen, um Kassenerfolge zu gewährleisten, und fertigte daraus Prestigeprojekte mit Langfilmlänge.
Der am 3. September – womöglich auch schon im April – 1922 uraufgeführte "Monte Cristo" von Emmett J. Flynn ist solch ein Film: Hauptdarsteller John Gilbert, der 1921 einen Vertrag mit Fox Film schloss und in der Folgezeit einen Karriereschub erlebte, schlägt sich in der Titelrolle wacker. Die letzte einigermaßen vorlagentreue Verfilmung war zudem fast zehn Jahre alt, sodass Alexandre Dumas' Stoff erstmals auf die geschmeidig-organische Weise umgesetzt wurde, die der US-Film in den zweiten Hälfte der 10er-Jahre ausprägte – wobei auch die Laufzeit im Vergleich mit der 1913er-Version fast auf das Doppelte angewachsen war. Abwechslungsreiche Kulissen, die beklemmenden Episoden von Gefangenschaft und Flucht und eine routiniert beherrschte Spanungsdramaturgie inklusive Parallelmontage zum Finale sorgen für gelungene Unterhaltung, bei der stummfilmaffine Cineast(inn)en auch heute noch zugreifen können.
Auch der am 18. Oktober 1922 uraufgeführte "Robin Hood" von Allan Dwan ist solch ein Beispiel für Prestigeprodukte nach literarischem Vorbild: wenn auch die Robin-Hood-Figur keinem singulärem Werk entstammt, sondern einer Menge von Balladen, die sich samt ihrer späteren Abwandlungen beständig miteinander kombinieren ließen, sodass die ursprünlich literarische Figur in der Moderne längst eine mythische Figur darstellte. Dwans Verfilmung erlangte schnell Klassikerstatus, auch weil mit Douglas Fairbanks ein legendärer Star Robin Hood verkörperte und das Bild der Figur für lange Zeit prägte. Auch in Kostüme und Kulissen wurde viel Budget und Energie gesteckt, ebenso in das kalkulierte Marketing. All das machte sich bezahlt und Dwans Abenteuerfilm erhielt beste Kritiken, Auszeichnungen und Publikumszuspruch.
Der am 30. Oktober 1922 uraufgeführte "Oliver Twist" von Frank Lloyd konnte da nicht ganz mithalten, gilt aber ebenfalls als erste gewichtige Verfilmung seiner Vorlage: In der Titelrolle brillierte Jackie Coogan aus Charles Chaplins "The Kid" (1921).  (An diese Kinderstar-Karriere konnte Coogan als Erwachsener kaum noch anknüpfen: Mitte der 50er Jahre bildeten Streifen wie "Mesa of Lost Women" (1953) den Tiefpunkt seiner Karriere; im Alter immerhin durfte er bei der Rekonstruktion des lange verschollenen, in den 70er Jahren aber wieder aufgetauchten "Oliver Twist" helfen. Regisseur Lloyd konnte sich indes auch in Tonfilmzeiten gekonnt behaupten.) Und kein geringerer als Lon Chaney ist in der Rolle des alten Fagin zu sehen, was dem Film langfristig bis heute ein Mindestmaß an Aufmerksamkeit sichern konnte. Die auch hier erlesene Ausstattung und Lloyds Gespür für Einstellungsgrößen und sinnvolle Montage tun ein übriges: Bis zu Leans Version im Jahr 1948 blieb Lloyds Dickens-Verfilmung das Maß der Dinge: eine Verfilmung im Tonfilmzeitalter war Anfang der 30er Jahre herausgekommen, um relativ wirkungslos wieder in der Versenkung zu verschwinden.
Während "Monte Christo" bislang nicht auf DVD oder Blu-ray erhältlich zu sein scheint, kann man "Oliver Twist" beim BFI auf DVD (Fassungseintrag von pm.diebelshausen) und "Robin Hood" bei Kino on Video auf DVD (Fassungseintrag von derboo) erhalten. Die deutschen Veröffentlichungen sind da klar unterlegen.

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