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von PierrotLeFou

Vor 50 Jahren: Verrohung auf großer Leinwand

Stichwörter: 1970er Craven Filmreihe Hess Horror Jubiläum Klassiker Remake Spielfilm Terror Thriller USA

The Last House on the Left (1972)

Mit "Scre4m" (2011) hatte er seine Karriere beendet. "Scream" (1996) startete Jahre zuvor eine zweite Welle des Slasherfilms: originell und selbstreflevix, ein wenig so wie "New Nightmare" (1994), der siebte Teil der Slasher-Reihe, die Craven mit "A Nightmare on Elm Street" (1984) begründet hatte... jenem Film, der Wes Craven den großen Durchbruch brachte. In der ersten Hälfte der 70er Jahre, von "Together" (1971) bis "The Fireworks Woman" (1975), hatte er zunächst mit dem kommerziell vielversprechenden Format des Sex- und Pornofilms geliebäugelt. Erst mit "The Hills Have Eyes" (1977) verlegte sich Craven, der privat vor allem für die Großkaliber des Autorenfilms wie Fellini oder Bergman geschwärmt haben will, auf eine recht erfolgreiche Karriere als Horrorfilmregisseur, der sich so sehr auf den Slasher spezialisierte wie George A. Romero auf den Zombiefilm oder Tobe Hooper auf den Terrorfilm. Dem Terrorfilm hatte sich Craven selbst mit "The Hills Have Eyes" seinerseits noch stark angenährt. Und einen Horror- und Terrorfilm hatte er zuvor bereits realisiert: den am 2. August 1972 uraufgeführten "The Last House on the Left", dem Craven dann eben erst fünf Jahre später wieder einen Horrorfilm folgen lassen sollte.
Dieses Regiedebüt legte die Vorliebe für Bergman offen: "Jungfrukällan" (1960) stand bekanntlich Pate. Craven übertrug Bergmans Rachedrama nach einer Ballade aus dem Mittelalter ins Gegenwarts-US-Amerika der Vietnamkriegszeit. Die in der alten Ballade vorgegebene, von Bergman befolgte Struktur wurde nunmehr als festes Muster des Exploitationkinos etabliert, das unter der Bezeichnung rape and revenge Bekanntheit erlegte. Craven zelebriert die Vergewaltigung und Ermordung als sadistischen Akt, lässt seine Triebtäter(in), allen voran David Hess in der Paraderolle seines Lebens, eine perverse Lust an der Ohnmacht ihrer Opfer finden, die den Terror nicht lebend überstehen werden. Dabei schreckt Craven nicht vor grafischer Gewalt und auch nicht vor irritierenden klamukigen Einsprengseln ab. Am Ende quartieren sich die Täter(in) wie im Vorbild bei den Eltern einer Getöteten ein: Das biedere Pärchen, das mit Argwohn auf die Nähe der Tochter zur Gegenkultur blickte, legt dann, als es die Situation durchblickt, alle Hemmungen ab und zelebriert vermeintlich unzivilisierte Racheakte. Das löste damals – insbesondere hierzulande – eine Diskussion über die Grenzen der Gewaltdarstellung und die Ideologie von Selbstjustiz-Filmen, die auch mit Clint Eastwood und Charles Bronson zeitgleich en vogue wurden, aus. Heute hat der Film, dessen Plakat beklemmend dokumentarisch anmutet, sein großes Skandalon ein wenig eingebüßt – auch weil spätere Filme der Gattung, insbesondere seit dem von Craven und Sean S. Cunningham produzierten Remake, mit wesentlich zeitgemäßeren Inszenierungen heftiger Gewaltakte beinahe schon mainstreamkompatibel geraten sind –, aber die krude Kaltschnäuzigkeit ist noch immer zu spüren, der einst aktuelle Subtext um Generationskonflikte und moralische Werte noch immer zu greifen, der Markstein-Charakter des Films im Terrorfilm-Sektor nach wie vor anzuerkennen. Und H. G. Lewis vergleichbar, der sich zwischen nudies und Splatterfilmen bewegte, zeigte Craven, der diesen Terrorfilm in der Phase des boomenden Pornos inszenierte, dass Splatter und Pornografie viel miteinander gemein hatten: beide Phänomene waren Grenzübertritte, sowohl Stimulation und Penetration menschlicher Leiber als auch deren Zerstückelung und Ausweidung befriedigten Schaulüste und ließen sich kommerziell verwerten, potentiell ließ sich beides auch im subversiven Geiste verwenden – was dem Splatterfilm häufiger und insgesamt wohl etwas besser gelungen ist als dem Pornofilm: gerade weil das lustvoll genossene destruktive Spektakel der Gewalt letztlich offenkundig im Widerspruch zu jeglicher Moral steht, derweil die Sexualität letztlich eher auf die Erhaltung zielt, weniger auf die Zerstörung (auch wenn sie gesellschaftliche Konventionen aufzusprengen vermag). Während die Schaulust im Hinblick auf die Sexualität bestenfalls die Norm in Frage stellt, stellt die Schaulust im Hinblick auf die Gewalt ebendiese Norm und das schauende Subjekt selbst in Frage.
Ausführlich bespricht Realjackass den Film in seinem Review...


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