Kladivo na carodejnice (1970)
Ab dem Ende der 1960er Jahre gab es eine ganze Welle von Hexenjäger-Horrorfilmen, deren bekanntester Vertreter wohl "Witchfinder General" von Michael Reeves ist. "Kladivo na carodejnice" von Otakar Vávra scheint zunächst genau in diese Schublade zu passen, doch allein die Tatsache, daß Vávras Film nach seiner Premiere am 23. Januar 1970 nur kurze Zeit in der Tschechoslowakei zu sehen war und dann (wie so viele Filme aus der Tauwetterperiode) mit dem Ende des Prager Frühlings von der Zensur kassiert wurde, macht genaueres Hinsehen nötig.
"Kladivo na carodejnice" (übersetzt "Hexenhammer" nach dem berüchtigten Codex "Maleus Maleficarum" aus dem 15. Jahrhundert zum Erkennen und Foltern von Hexen) beruht auf der Romanvorlage von Václav Kaplický. Darin werden die Hexenprozesse in Nordmähren (heute Tschechien) im späten 17. Jahrhundert fiktionalisiert, denen rund 100 Menschen, davon überwiegend Frauen, zum Opfer fielen. Oberflächlich bietet "Hexenhammer" die Schlüsselreize eines typischen Exploitation-Horrorstreifens (nackte Haut, Folterszenen, grausame Tode), doch weitaus größeres Augenmerk richtet Vávra auf das gesellschaftliche Umfeld, das einen jeglicher Vernunft widersprechenden Vorgang wie die Hexenverfolgung überhaupt zuläßt. In kalter Deutlichkeit wird der gewinnsüchtige Zynismus des Inquisitors (Vladimír Smeral) porträtiert, das Desinteresse der Mächtigen und das Klima der Angst, die um sich greift: im Prinzip kann jeder infolge falscher Geständnisse, die durch Folter erzwungen wurden, belastet und hingerichtet werden. Auch der rechtschaffene Dekan Lautner (Elo Romancik) hat der Übermacht dieses Systems nichts entgegensetzen, gegenüber dem unverfrorenen Tribunal versagen jegliche Logik und Integrität. Es fiel Publikum und Staatsmacht wohl nicht schwer, die Verfahren in "Hexenhammer" mit den unsäglichen kommunistischen Schauprozessen in der Tschechoslowakei der 50er Jahre in Verbindung zu bringen (Vávra selbst bestätigte diese gewollte Parallele später), was folgerichtig zum Verbot des Films führte. Doch auch ohne die Auslegung als Politparabel ist "Hexenhammer" mehr als ein handwerklich tadelloser Historienfilm. Es ist wohl der Drehbuch-Koautorin Ester Krumbachová zu verdanken, daß ebenso wie die sozialen Ungleichheiten auch die asymmetrischen Geschlechterrollen in seltener und kritischer Deutlichkeit vorgeführt werden. Eigentlich gelernte Kostümbildnerin, war Krumbachová an den Drehbüchern bedeutender Filme der tschechoslowakischen Neuen Welle beteiligt (z.B. "Sedmikrásky" von 1966, Anniversary-Text). Daß sich in den Hexenverfolgungen auch und vor allem die männliche Angst vor der unbekannten Weiblichkeit ausdrückt, ist in "Kladivo na carodejnice" unübersehbar (in mehreren homoerotisch suggestiven Szenen umgibt sich der Inquisitor auch privat mit seinem Gehilfen), doch selbst der positiv gezeichnete Dekan Lautner kann aufgrund seiner gesellschaftlichen Position kein gleichberechtigtes Verhältnis zu seiner Dienstmagd eingehen - trotz seiner ehrlich gemeinten Liebesbekenntnisse betreibt er letztlich sexuelle Ausbeutung.
Erst 1989 wurde Vavras Film im tschechischen Fernsehen wieder ausgestrahlt. Bei uns ist "Kladivo na carodejnice" in einer schönen Blu-ray-Ausgabe bei Ostalgica erschienen, der auch ein Booklet beiliegt (Fassungseintrag). Die Inhaltsangabe von rinnsteinkatze bietet einen Überblick, während die OFDb-Kritik von Ännchen von Tharau den Film innerhalb der seinerzeit populären Hexenjagd-Filme verortet bzw. von diesen abhebt. Denn tatsächlich hat Vávras Werk aufgrund seiner Subtexte mehr mit "Vredens Dag" (1943, Carl Theodor Dreyer) oder mit "Die Hexen von Salem" (1957, Raymond Rouleau) gemein als mit "Witchfinder General" (1968, Anniversary-Text).
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