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von PierrotLeFou

Vor 75 Jahren: Umstrittener Kult-Klassiker aus dem Dritten Reich

Stichwörter: 1940er Deutschland Jubiläum Klassiker Komödie Literaturverfilmung Propaganda Reimann Rühmann Spielfilm Spoerl Weiss

Die Feuerzangenbowle (1944)

Am 28. Januar 1944 war "Die Feuerzangenbowle" erstmals zu sehen – nachdem der Film wegen antiautoritärer Tendenz zunächst von einem Verbot bedroht war, woraufhin Hauptdarsteller Heinz Rühmann ein Urteil von Hitler höchstselbst einholte, welches dann die Aufführung ermöglichte. Rühmann, der zehn Jahre zuvor bereits in "So ein Flegel" (1934), der früheren Verfilmung des Heinrich-Spoerl-Romans, mitgewirkt hatte, war einer der Nutznießer des Dritten Reiches, der in der Nachkriegszeit dennoch eine zweite Karriere als Publikumsliebling feiern konnte – und bereits über 40 Jahre alt, als er in der "Feuerzangenbowle" als Dr. Johannes Pfeiffer beschloss, nochmals die Schulbank zu drücken. Eine kuriose Ausgangssituation, die heitere Unterhaltsamkeit sicherte, welche nach Stalingrad gerade recht zu kommen schien.
Für den Filmemacher Helmut Weiss war es seine erste Regiearbeit: Es folgten weitere Zusammenarbeiten mit Rühmann, die weit deutlicher propagandistischen Charakter aufwiesen – wie etwa "Quax in Afrika" (1944/1953), der erst lange nach Kriegsende (in entschärfter Form) veröffentlicht worden ist. In der Nachkriegszeit dann die übliche, weitgehend eskapistische Heimatfilm-Ware. Am Drehbuch arbeitete dagegen der Satiriker Hans Reimann mit, der beinahe die Parodie "Mein Krampf" geschrieben hätte und im Dritten Reich (nicht nur deshalb) dementsprechend mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Dennoch finden sich einige Eingeständnisse an die Ideologie der Nationalsozialisten: Etwa in der Figur Dr. Brett und ihren pädagogischen Ansichten. Etwa im Frauenbild. Und natürlich in den Überblendungen, die wie so oft im NS-Film eine Kontinuität des Vergangenen beschwören, wenngleich auch von "neuer Zeit" die Rede ist.
"Die Feuerzangenbowle" entwickelte sich in den letzten Jahrzehnten dennoch zu einem Kultfilm an den Universitäten, wo er oftmals in der Vorweihnachtszeit aufgeführt wird – gleichwohl seit Karsten Wittes Aufsatz "Wie faschistisch ist die Feuerzangenbowle?" (1976) eine kritische Einschätzung des Films gegeben ist, die auch von Dietrich Kuhlbrodt oder Georg Seeßlen genährt worden ist. Vom linken AStA-Mitglied bis zum rechten Burschenschafts-Mitglied erstreckt sich das Publikum an den Unis, das je nach Gesinnung die Beschwörung alter Zeiten feiert oder aber anarchischen Unsinn genießen will und einen Dr. Brett auspfeift oder aber einfach ausschließlich unterhalten werden will. Und natürlich kann man die perfekt funktionierende Komödie als reine Unterhaltung konsumieren – mit dem Gedanken an den Durchhaltefilm-Charakter und den historischen Kontext wird ebendiese allerdings getrübt.
Neuen Wind bekam die altbekannte Debatte um die "Feuerzangenbowle", als Dr. Cornelia Meyer zur Heyde – deren GOLDIE-Filmverleih die Aufführungsrechte besitzt und die inzwischen der AfD beigetreten ist – vor ein paar Jahren ausgerechnet einer Vorführung im Deutschen Historischen Museum nicht zustimmte, in welchem der Klassiker im NS-Film-Kontext samt kritischer Kommentierung gezeigt werden sollte: Eine Entscheidung, die nicht ohne Kritik aufgenommen worden war und die Diskussion um die Einschätzung des Films kurzzeitig neu entfachte...
Ausgewogen nähert sich Bretzelburger in seinem Review dem Film und seinem strittigen Ruf.


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