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von PierrotLeFou

Vor 25 Jahren: Berüchtigter Antikriegsfilm von Dragojević

Stichwörter: 1990er Dragojević Drama Jubiläum Jugoslawien Klassiker Krieg Spielfilm

Lepa sela lepo gore (1996)

Welcher Film beginnt in einem Tunnel und endet mehr oder weniger in einem? Welcher Film erweckt den Eindruck eines actionreichen Kriegsfilms und zeigt doch eine psychologische Studie des Menschen? Wo verschwimmen Gut und Böse immer mehr zu einem Brei aus Irrsinn und Wahnsinn? Die Rede ist vom Antikriegsfilm "Lepa sela lepo gore", der am 20. Mai 1996 seine Uraufführung erlebt haben dürfte (wobei die IMDb bereits den 9. Mai 1996 angibt) und dessen deutscher Titel ("Dörfer in Flammen") mit "Schöne Dörfer brennen schön" eigentlich besser übersetzt wäre.

Der Klassiker von Srđan Dragojević kratzt mit einer ordentlichen Portion schwarzem Humor an der Fassade dessen, was als Realität wahrgenommen wird, und legt Schicht für Schicht frei, wie der menschliche Geist zum Narren gehalten werden kann – und dass in jedem Einzelnen sowohl Gut als auch Böse zu finden sind. Doch worum geht es im Film?

In einem Militärkrankenhaus von Belgrad liegen drei Soldaten des bosnisch-serbischen Militärs. Im Nebenzimmer liegt ein junger bosnisch-muslimischer Soldat, schwer verwundet und verängstigt. Als Milan, einer der serbischen Bosnier, dies mitbekommt, will er instinktiv den muslimischen Bosniaken tot sehen. Vor allem, nachdem sein Freund und Kamerad "Brzi" im Krankenhaus verstirbt. Doch geschwächt und von Schmerzen und medizinischen Instrumenten am Bett gefesselt, bleibt Milan zunächst nichts weiter übrig als liegen zu bleiben und sich in seinen Erinnerungen zu verlieren. Diese Erinnerungen erzählen uns eine Geschichte, die bis ins Jahr 1971 zurückgeht - in welchem ein junger Milan und sein bester Freund Halil, ein serbischer-christlicher Bosnier und ein muslimischer Bosniak, Kinder waren, zusammen aufwuchsen, Blödsinn bauten, Sex kennenlernten, zusammen feierten, spielten und schließlich gemeinsam eine Werkstatt aufbauten. Bis schließlich die 90er kamen, aus Freunden Feinde wurden und Milan der paramilitärischen Truppe beitrat, in der er und seine Kameraden grausame Dinge taten. Die ehemals besten Freunde finden eines Tages wieder zusammen: Milan ist in einem Tunnel mit seinen Kameraden und einer amerikanischen Journalistin eingesperrt und Halil sitzt am Tunnelausgang – bereit mit seinen Kameraden der bosniakischen Paramilitärs jeden einzelnen Christen niederzumetzeln.

Der Plot umschreibt etwas verkürzt und zusammengefasst die Reise, auf die uns Dragojević mitnehmen will. Dabei sind die Ereignisse nicht alle fiktiv. Eine ähnliche Situation ereignete sich im Tunnel "Brodar" im September 1992 beim Städtchen Višegrad, wo eine bosnisch-serbische Einheit feststeckte, umzingelt von einer Überzahl von bosnisch-muslimischen Soldaten. Doch wie kommt ein Drehbuchautor und Regisseur darauf, während eines noch laufenden Kriegs einen Antikriegsfilm zu drehen, trotz aller Embargos, finanziellen Notlagen und der nicht immer wohlgesonnen eigenen Regierung? Dazu muss man sich zunächst diese Person genauer ansehen:

Srđan Dragojević wurde am 01. Januar 1963 als Sohn eines Journalisten und einer Französisch-Dolmetscherin in Belgrad geboren. Er hatte immer eine Vielzahl an Interessen, doch die größte war das Schreiben. 1981 wurde er Gitarrist der Punkrock-/New-Wave-Band "TV Moroni" (TV Trottel). Gleichzeitig versuchte er sich als Journalist für die Magazine "Polet" (Abflug) und "Start". Er begann und beendete sein Studium der klinischen Psychologie an der philosophischen Fakultät der Uni Belgrad noch während er sein erstes Buch "Knjiga akcione poezije" (Das Buch der Aktionspoesie) schrieb, das er 1986 veröffentlichte. Ein Jahr später schrieb er sich an der Universität der Künste Belgrad ein und machte seinen Abschluss in Film- und TV-Regie. Dem Schreiben und Dichten blieb er immer treu. Sein Filmdebüt gab er 1992 mit der Komödie "Mi nismo anđeli" (We Are Not Angels), die sich zum riesigen Erfolg mauserte und noch zwei Sequels und eine Spin-off-Serie nach sich zog. Weitere bedeutsame Filme seiner (Regie-)Karriere sind "Rane" (The Wounds, 1998), "Sveti Georgije ubiva aždahu" (St. George Shoots The Dragon, 2009) und "Parada" (Die Parade, 2011). 1999 bis 2001 versuchte Dragojević, in Verhandlungen mit Miramax und später auch Icon Productions, in Hollywood Fuß zu fassen. Dies schlug aus mehreren Gründen fehl, unter anderem aufgrund der erneuten Bombardierung Jugoslawiens durch die NATO, des SAG-Streiks und eines Mangels an passenden Projekten. Zeit seines Lebens sah sich Dragojević als modernen Sozialisten, der den Dialog der Klassen in Dichtkunst und Lyrik sah. Folgerichtig wurde er im Dezember 2010 Mitglied der SPS (Sozialistische Partei Serbiens), die sich – als von Slobodan Milošević gegründete Partei – von 2006 bis 2008 reformierte und nun proeuropäisch einen liberalen Kurs fährt und sich für soziale Gerechtigkeit und gegen Privatisierung einsetzt. In diesem Wirrwarr einer Biographie lässt sich schon erahnen, weshalb dem Lyriker und Philosophen Dragojević "Dörfer in Flammen" ein wichtiges Projekt war.

Nachdem Dragan Bjelogrlić (sowie dessen Bruder Goran) und Nikola Kojo das Drehbuch lasen, waren sie Feuer und Flamme für das Projekt. Sie gaben als Produzenten Geld hinzu und fanden durch ihre Beziehungen auch noch einen Generalsponsor im Belgrader Unternehmen für den ÖPNV "GSP". Eine Vielzahl großartiger Schauspieler der 90er waren am Projekt interessiert und wurden gecastet: darunter Velimir "Bata" Živojinović, Zoran Cvijanović, Milorad Mandić "Manda", Branka Katić und die viel zu früh verstorbene Vera Dedović. Nun kam das eigentliche Problem, denn Mitte der 90er war der Jugoslawienkrieg bekanntlich auf seinem Gipfel. Die Kameras, Pyrotechnik und das restliche Filmequipment mussten besorgt werden, mitten während der Jugoslawien-Embargos. Man flog all dies illegal aus Rom ein und bestach den Zoll am Belgrader Flughafen, von wo aus es noch illegal über die Drina, von Jugoslawien nach Bosnien, transportiert werden musste... und das während der strengsten Sanktionen. Bei den Aufnahmen – stets die Armee und Paramilitärs im Nacken, lediglich vier bis fünf Kilometer von der Front entfernt – musste oft alles beim ersten Take sitzen. Mitte Juli 1995 gingen der Filmcrew dann auch noch die finanziellen Mittel aus – und es fehlten noch sieben Drehtage. Als diese mühsam zusammengekratzt wurden, beendete man die Dreharbeiten in Windeseile - nach insgesamt 2½ Jahren Vorbereitungs- und Drehzeit. Das Ergebnis war einer der größten jugoslawischen (Anti-)Kriegsfilme der letzten zehn Jahre, sowohl von der Ausstattung her als auch vom Erfolg.

Cast und Crew waren erleichtert, als der Film endlich fertig war, aber noch wussten sie nicht, wie der Film beim Publikum ankommen oder ob die Regierung ihn zensieren würde. Es stellte sich heraus, dass sie den Zeitgeist drei Jahre zuvor treffend eingefangen haben. Und der Film zählt auch heute noch zu den zehn besten jugoslawischen Kriegsfilmen - und das, obwohl er nicht die traditionellen Eckpfeiler besitzt. Als Dokument der menschlichen Psyche meidet er Symbole des Heldentums. Es gibt keinen Protagonisten, mit dem man sich assoziieren kann. Auf der anderen Seite kann man sich widerum in jeder Figur wiederfinden. Krieg wird als Hölle dargestellt, die das Böseste im Menschen erweckt: Freunde werden zu Feinden, aus Vernunft wird Hass und Brüder stehen sich plötzlich auf gegnerischen Seiten gegenüber. Dafür geizt der Film nicht mit Symbolik: etwa bei der "blutigen" Eröffnung des Tunnels "Brüderlichkeit und Einigkeit" – ein Freudenfest dessen blutiges Ende vorweggenommen wird. Oder mit dem "letzten Pflaumenbaum", unter dem alle Serben der Welt Platz finden werden, der in Flammen aufgeht... oder mit der Lehrerin, in die beide Freunde Milan und Halil verknallt waren und die sie dennoch opfern... der Wahnsinn des Bürgerkriegs bekommt ein bildliches Antlitz verpasst, stets untermalt vom schwarzen Balkanhumor und von großen musikalischen Hits des ehemaligen Jugoslawiens und deren Interpreten und Bands.

Letztlich hat es sich gelohnt. Nicht nur im ehemaligen Jugoslawien genießt der Film ein großes Ansehen. Auch in Nordamerika konnte er gute Kritiken ernten, in denen er gleichgesetzt wurde mit Titeln wie "MASH", "Stalingrad" oder "Das Boot". Emanuel Levy vom "Variety" attestiert Dragojević sogar, mutiger in seiner Vision von Politik und Militär zu sein, als es je ein Film von Stanley Kubrick war.

Ein Gastbeitrag von Tito


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