Bananas (1971) & Everyone Says I Love You (1996)
Wie Mel Brooks, der andere jüdische Komiker, der halbwegs zeitgleich im US-Spielfilm Fuß fasste, konzentrierte sich Woody Allen – allerdings in einem weniger starken Ausmaß – zu Beginn seiner Karriere darauf, andere Genres zu parodieren oder zu persiflieren. Anders als Brooks rückte Allen in der zweiten Hälfte der 70er Jahre weitgehend davon ab, um nur noch gelegentlich und ansatzweise zur humoristischen Abwandlung populärer Genres zurückzukehren.
"Bananas", uraufgeführt am 28. April 1971, ist nicht in dem Maße einem Genre zuzuordnen – wie kurz darauf "Sleeper" (1973) dem Sci-Fi-Film oder "Love and Death" (1975) dem Historienfilm, wobei auch dort die Bezüge und Anspielungen letztlich vielfältiger ausfallen sollten –, sondern bündelt im Grunde eine Reihe von Subgenres: Wie "Take the Money and Run" (1969) arbeitet sich "Bananas" zunächst noch knapp am Format der Reportage ab, gibt diesen Bezug aber schnell auf; wo sich "Take the Money and Run" dann noch auf den Gefängnisfilm konzentrierte, da rücken in "Bananas" dann der Revolutionsfilm, der (sich erst in den kommenden Jahren so richtig entfaltende) Politthriller und der Gerichtsfilm in den Mittelpunkt; und auch der Abenteuerfilm und das Liebesdrama, wenn man denn so will: reist doch Hauptfigur Fielding Mellish (Woody Allen) nach der Abfuhr einer begehrten Revoluzzerin nach Lateinamerika, so wie sich manch andere unglücklich verliebte Filmfiguren etwa der Fremdenlegion angeschlossen haben. Dort gerät er schnell zwischen die Fronten von Diktatur und Revolution, schlägt sich auf die letzte Seite, sieht nach dem Sieg der Revolutionäre dem Entgleisen des Anführers zu, wird selber Präsident, will in den USA Entwicklungshilfe beantragen – und wird flugs als Kommunist vor Gericht gezerrt. Im Reportagestil endet der Film dann wieder... Von Attentat bis "Z" (1969), von "Bronenosets Potemkin" (1925) bis Fidel Castro klaubt Allen zusammen, was sich irgendwie um Che-Guevara-Kult, Revolutionsromantik, Guerilla-Dasein, (Anti-)Kommunismus oder politische Intrigen dreht, um Hollywoods Verzerrzungen à la "Che!" (1969) noch ins Absurde zu überspitzen. Der Film, der mit seinen Motiven der politischen Lage und den politischen Filmen der späten 60er- und frühen 70er-Jahre fest verhaftet ist und (neben dem teilweise thematisch verwandten "The Front" (1976) unter der Regie Martin Ritts) zu jenen Allens zählen dürfte, die am wenigsten zeitlos geraten sind, nutzt seine irrsinnige Geschichte einer Bananenrepublik, in der in der Tat auch alle so ziemlich bananas sind, um allerlei Gags und Sketche episodenhaft aneinanderzureihen, von denen man einige auch aus anderen Allens kennt (etwa die Schilderung eines surrealen Traums, die sich – auf andere Vorbilder anspielend – in "Love and Death" wiederholen sollte). Eine belastbare Spannungsdramaturgie ergibt sich dabei indes noch nicht: entsprechend wählte Allen in "Everything You Always Wanted To Know About Sex, But Were Afraid To Ask" (1972) das Episodenfilmformat, in dem er in mehreren Episoden unterschiedliche Genres und Stile erprobte, um sich ab "Sleeper" dann auch zunehmend einer geschlosseneren Dramaturgie zuzuwenden, wenn hier auch noch der Slapstick dominiert, den Allen erst nach "Love and Death" weitestgehed ablegen sollte.
Mehr über "Bananas" ist dem Review von kruchtenkaiser zu entnehmen...
25 Jahre später bringt Allen – längst ein international renommierter New Yorker Autorenfilmer, der nicht mehr als bloßer Komiker galt – wieder einen Film ins Kinos: mittlerweile tat er das im Grunde einmal pro Jahr... "Everyone Says I Love You" ist am 20. September 1996 uraufgeführt worden. Verweise auf andere Genres und Filmemacher besaßen inzwischen eher den Charakter der Hommage (insbesondere die Fellinismen und Bergmanniaden, die sich zuhauf bei Allen finden ließen): seien es das Classical Hollywood und der Dokumentarfilm in "Zelig" (1983), der Gangsterfilm in "Broadway Danny Rose" (1984) oder "Bullets Over Broadway" (1994), der klassische Abenteuerfilm in "The Purple Rose of Cairo" (1985), der expressionistische Stummfilm in "Shadows and Fog" (1991), der Noir in "Manhattan Murder Mystery" (1993) oder "The Curse of the Jade Scorpion" (2001). Um Parodien oder Persiflagen handelt es sich bei diesen Allen-Filmen aber kaum noch: auch dank Allen als Kunstfigur haben sich die Allen-Komödien im Grunde als eigenständiger Typus etabliert, in dem den äußeren Einflüssen der Status einer Hommage zugewiesen wurde. Das gilt auch für "Everyone Says I Love You", der das klassische Musical in die Allen-Komödie integriert, in der mehrere (Ex-)Paare zwischen New York, Paris und Venedig ihre Beziehungs- und Liebesprobleme lösen: es ist eine leichtfüßigere RomCom, die Allen als Spezialist für Beziehungsfilme hiermit abgeliefert hat. Fröhlicher, optimistischer... so als wäre der Geist der klassischen US-Musicals mit den entlehnten Musicalnummern voll und ganz in diese Komödie hineingeströmt. Und auch die Marx Brothers, die (neben Danny Kaye oder Bob Hope) von großem Einfluss auf Allens Arbeit waren und sich in "The Big Store" (1941) bereits einen Jux daraus machten, Musicalnummern zu zitieren, werden hier gegen Ende auf einer Marx-Brothers-Kostümfeier gleich ebenfalls noch mit abgegrast... Und doch: auch wenn hier alles leichtfüßig und harmonisch anmutet, so wahrt sich Allen doch auch eine ironische Distanz zur RomCom- und Musical-inhärenten Süßlichkeit, die hier durch Übersteigerung sichtbar wird... oder dadurch, dass Allen hier geradezu absurd naive Lösungen einbaut: wie z. B. einen Pfropfen im Kopf eines jungen Mannes, der nach der Entfernung des Pfropfens aushört, die Republikaner zu feiern, um sich fortan den Demokraten zuzuwenden. Der Heile-Welt-Optimismus, der dem – mit Woody Allen, Alan Alda, Drew Barrymore, Lukas Haas, Goldie Hawn, Edward Norton, Natalie Portman, Julia Roberts oder Tim Roth zudem prominent besetzten – Film aus allen Poren trieft, wird ohne Spott durchgezogen, aber zugleich auch als Kino-Illusion kenntlich gemacht.
Mehr? Review von HappyHarry mit dem Harten
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