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von PierrotLeFou

Vor 50 Jahren: Zwei vernachlässigte Filme aus Schlöndorffs Phase der Neuorientierung

Stichwörter: 1970er Berger Deutschland Drama Jubiläum Klassiker Kriminalfilm Neuer-Deutscher-Film Nykvist Schlöndorff Spielfilm von-Trotta

Die Moral der Ruth Halbfass (1972) & Strohfeuer (1972)

Bevor Volker Schlöndorff – der nach langer Abstinenz ausgerechnet inmitten der Pandemie wieder von sich hören ließ und erst mit einem "Zeitzeugengespräch" (2021), dann mit dem Dokumentarfilm "Der Waldmacher" (2022) wieder in die Öffentlichkeit trat – Mitte der 70er Jahre mit Margarethe von Trotta nach Heinrich Böll "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" (1975) inszenierte und daraufhin von der Springer-Presse skandalisiert worden ist, dann im Rahmen von "Deutschland im Herbst" (1978) in die Kritik geriet und mit "Die Blechtrommel" (1979) seinen größten Erfolg feierte, drehte er in den frühen 70er Jahren ein paar Filme, die schnell in relative Vergessenheit gerieten. "Der plötzliche Reichtum der armen Leute von Kombach" (1971) hatte zwar nach einigen weniger erfolgreichen Filmen großen Zuspruch finden können und sich als Neuausrichtung des belasteten Heimatfilms in die deutsche Filmgeschichte eingeschrieben, aber danach folgten abermals weniger erfolgreiche Werke. Margarethe von Trotta hatte dort schon mitgespielt und das Drehbuch mitverfasst.
"Die Moral der Ruth Halbfass" erscheint am 13. April 1972, "Strohfeuer" sollte am 1. November desselben Jahres folgen. Als Darstellerin und Regie-Assistentin wirkte von Trotta am erstgenannten Titel, als Darstellerin und Drehbuchautorin am zweiten Titel mit. Bei "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" sollten sich Schlöndorff und von Trotta die Regie dann teilen. Feminismus ist zwar keine Frauensache, aber man kommt kaum um den Gedanken umhin, dass es von Trottas Einfluss war, Schlöndorff inmitten der noch jungen Frauenbewegung für Frauenschicksale zu sensibilisieren: In "Die Moral der Ruth Halbfass" wird die von Senta Berger verkörperte Titelfigur sich einen Liebhaber zulegen, als ihr Ehemann eigentlich nur noch für seinen Beruf die volle Aufmerksamkeit aufzubringen imstande ist. Noch eine andere Frau gibt es im Film, gespielt von Margarethe von Trotta: Es ist die Frau des Liebhabers, die auf Erich Halbfass schießen wird (um sich später in der Zelle selbst zu richten). Damals und selbst heute noch wurde (und wird) der – vom Hessischen Rundfunk mitfinanzierte, aber im Kino uraufgeführte – Film aufgrund der fehlenden, für Schlöndorff eigentlich bereits typischen literarischen Vorlage und aufgrund der satirischen Spitzen gegen die gutbürgerliche Gesellschaft mit Chabrol-Vergleichen konfrontiert; was auch durchaus berechtigt ist. Aber es ist eben auch ein Film über unglückliche Ehefrauen im Ehe-Käfig, die zwar nicht unschuldig sind, aber doch immerhin sympathischer als die Männerfiguren.
"Strohfeuer" führt diese Linie fort: Margarethe von Trotta spielt hier die Hauptrolle; eine Ehefrau, die aus ihrer zugewiesenen Rolle ausbrechen will. Sie verlässt den Gatten und bemüht sich, auf eigenen Beinen fest im Berufsleben zu stehen: aber dann muss sie sich mit den Übergriffigkeiten ihres Chefs auseinandersetzen müssen, derweil sie sich mit dem einstigen Partner um das Sorgerecht für den gemeinsamen Sohn streiten muss. Weniger die Liebe, sondern eher die Umstände treiben sie dann gegen Ende in eine neue Ehe. Der (von Ingmar Bergmanns Stammkameramann Sven Nykvist gefilmte) Film radikalisiert die Stoßrichtung von "Die Moral der Ruth Halbfass" noch und leitet hin zum späteren "Die verlorene Ehre der Katharina Blum", der sicherlich als Höhepunkt und ganz besonders als wirkmächtigster Film gelten muss. Die relative Unbekanntheit haben aber diese Vorstufen von Schlöndorff und von Trotta nicht verdient.
Beide Filme sind günstig bei Zweitausendeins auf DVD zu bekommen: "Strohfeuer"-Fassungseintrag und "Die Moral der Ruth Halbfass"-Fassungseintrag von TakaTukaLand


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