Der plötzliche Reichtum der armen Leute von Kombach (1971)
Am 28. Februar 1962 wurde das Oberhausener Manifest verlesen, zu dessen Unterzeichnern unter anderem Rob Houwer, Ferdinand Khittl, Alexander Kluge, Hansjürgen Pohland, Edgar Reitz, Peter Schamoni, Haro Senft, Franz-Josef Spieker, Wolfgang Urchs und Herbert Vesely gehörten. Es handelte sich um die Geburtsstunde des Jungen bzw. Neuen Deutschen Films, der zunächst überwiegend noch aus Kurzfilmen bestand – Veselys "Das Brot der frühen Jahre" (1962) blieb eine frühe Langfilmausnahme! – und erst drei Jahre später kam es mit der Gründung des Kuratoriums Junger Deutscher Film e.V. zu gehäuften Langfilmen einer neuen Generation deutscher Filmschaffender, die sich von Papas Kino und den Sehgewohnheiten der Ära Adenauer absetzen wollten. Das breite Publikum konnte jedoch zunächst kaum erreicht werden: Ein (mittellanger) "Nicht versöhnt oder Es hilft nur Gewalt, wo Gewalt herrscht" (1965) irritierte und spaltete sein Publikum gehörig, ein "Die Artisten in der Zirkuskuppel: ratlos" (1968) löste gar einen handfesten Skandal aus, in dessen Rahmen eine als "Reformzirkus" (1970) veröffentlichte TV-Debatte über die neue Ästhetik und ihre Inhalte, Absichten und Erfolge zustande kam.
Der Neue Deutsche Film gab sich jedenfalls in den 70er Jahren ein wenig massentauglicher (wenn auch Regisseure wie Straub & Huillet, Kluge, Syberberg oder Herzog nach wie vor recht eigensinnig blieben) und orientierte sich dabei mitunter an populären Genres: So etwa Fleischmanns "Jagdszenen aus Niederbayern" (1969), der eine subversive Variante des Heimatfilms ablieferte (und auch gleich noch eine Kontroverse auslöste). Es folgten Reinhard Hauffs "Mathias Kneissl" (1970), dem jede Räuberballaden-Romantik eines käutnerschen "Schinderhannes" (1958) gänzlich fremd war, Volker Vogelers "Jaider, der einsame Jäger" (1971), Uwe Brandners "Ich liebe dich, ich töte dich" (1971) sowie Volker Schlöndorffs "Der plötzliche Reichtum der armen Leute von Kombach", der am 26. Januar 1971 erstmals zu sehen war und unter den neuen deutschen Heimatfilmen seines Jahrgangs zum populärsten avancierte... in den Folgejahren kamen noch weitere Titel hinzu.
Schlöndorff befand sich zur Zeit des Oberhausener Manifestes noch in Frankreich, wo er mit den Kollegen der Nouvelle Vague arbeitete. "Der junge Törless" (1966), seine deutsch-französische erste Langfilmarbeit, wurde ein international geachteter großer Erfolg, an den er nicht mit "Mord und Totschlag" (1967) und schon gar nicht mit "Michael Kohlhaas - Der Rebell" (1969) oder "Baal" (1970) anknüpfen konnte. "Der plötzliche Reichtum der armen Leute von Kombach" wurde dann (wie schon "Baal") auch vom Fernsehen produziert: vom Hessischen Rundfunk, aber auch von Schlöndorffs Hallelujah Film. Er lief aber im Kino sowie international auf zahlreichen Festivals und wurde allgemein positiv aufgenommen. In diesem durchaus humorvollen, bisweilen satirischen Mix aus Historien- und Heimatfilm, Kriminalfilm und Sozialdrama arbeitet Schlöndorff einen 1822er-Postraubüberfall auf, mit dem sich arme hessische Bauern aus ihrer Misere befreien wollten, mit dem erlangten Reichtum aber auffällig werden und schließlich vor Gericht zum Tod durch das Schwert verurteilt werden. Wie in "Baal" setzt Schlöndorff diesen (in Teilen von Anachronismen durchzogenen) Film mit allerlei brechtschen Einflüssen um (ging dabei aber nicht so weit wie sein Kollege Uwe Brandner). So arbeitete er auf inhaltlicher Ebene Schattenseiten einer im Heimatfilme gerne verklärten Heimat heraus und blieb auf formaler Seite den unkonventionellen, frischen Bildern und Klängen des Neuen Deutschen Films treu.
Diesen Vertreter des neuen deutschen Heimatfilms wiederveröffentlichte Zweitausendeins kostengünstig auf einer (mit der Arthaus-Version identischen) DVD: Fassungseintrag von TakaTukaLand
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