Carmen (1918)
Als am 20. Dezember 1918 Lubitschs "Carmen"-Verfilmung inmitten aufgewühlter politischer Verhältnisse uraufgeführt wird, ist der Film ein riesiger Erfolg: An der Seite des Publikumslieblings Harry Liedtke steigt Pola Negri in der Titelrolle in der Gunst des Publikums bis ganz nach oben auf – sie zählt nun zu Deutschlands wichtigsten weiblichen Filmstars und in der Tat hat ihr sinnlicher, verführerischer Auftritt in "Carmen" bis heute nicht an Reiz verloren. Dennoch gilt "Carmen" heute mitunter eher als einer der enttäuschenderen Lubitsch-Klassiker. Es mangele an Tempo, Rhythmus und Witz und Liedtke gibt einen sonderbar kecken Don José ab, was ihn in den Augen späterer Kritiker meist als Fehlbesetzung erscheinen ließ. Und in der Tat weist diese "Carmen"-Version wenig vom berüchtigten Lubitsch-Touch auf und kann es auch mit anderen "Carmen"-Verfilmungen kaum aufnehmen: DeMilles drei Jahre ältere Verfilmung verfügt über eine geschicktere Spannungsdramaturgie, Chaplins Parodie ist wesentlich witziger und Jacques Feyders – u. a. mit Luis Bunuel besetzte – 1926er-Version ist freilich (angesichts der gereifteren Filmtechnik & -ästhetik) inszenatorisch wesentlich raffinierter und baut (obgleich eine Stunde länger) weit effektiver einen Spannungsbogen auf. Dennoch ist "Carmen" von einiger Bedeutung: einmal als wichtiges Karrieresprungbrett für Negri, einmal bezüglich des Rufs des deutschen Films (auch im Ausland) – denn Lubitschs "Carmen" erwies sich nicht bloß hierzulande als überaus beliebt, sondern lief drei Jahre später auch überaus erfolgreich in den USA. Nicht nur Lubitsch konnte hiermit sein Renommee verstärken, auch der deutsche Film insgesamt rückte etwas stärker ins Zentrum der Aufmerksamkeit: zumindest hierzulande war man sich sicher, es nun erstmals mit den USA und anderen führenden Filmländern aufnehmen zu können. Und in der Tat mauserte sich der deutsche Film in den kommenden zwei, drei Jahren zu einer zentralen Größe im Weltkino...
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