Taking Off (1971) & The People vs. Larry Flynt (1996)
"Horí, má panenko" (1967, Anniversary-Text) war nach Vorbehalten im Rahmen des Prager Frühlings dann doch in die Kinos gebracht worden – um nach dem Einfall der Truppen des Warschauer Pakts gleich wieder mit einem langjährigen Verbot belegt zu werden. Milos Forman, der Regisseur des Films, befand sich zur Zeit des endenden Prager Frühlings in Paris: Dorthin hatte es ihn gezogen, als er während seines Aufenthalts in New York – denn eine Zusammenarbeit mit Paramount Pictures war ihm in der Heimat zuvor genehmigt worden – die sogenannten Rassenunruhen und die Proteste gegen den Vietnam-Krieg erlebte. In Paris arbeitete Forman dann mit Jean-Claude Carriére an einem Drehbuch, derweil um sie herum der Mai '68 tobte, ehe dann im Sommer des Jahres der Prager Frühling in Formans Heimat drastisch endete. In den daraus entstandenen Wirren rund um die Fragen der Legalität von Formans Auslandsaufenthalt (aus tschechoslowakischer Sicht) oder des Nachzugs seiner Familie verschlug es Forman schließlich wieder in die USA, wo der Autor John Klein das mit Carrière begonnene Drehbuch überarbeitete, um es an US-amerikanische Gepflogenheiten anzupassen (derweil Forman bereits erste Pläne für eine Verfilmung des Musicals "Hair" (1968) machte)...
"Taking Off", das Resultat, sollte nach Dreharbeiten im Sommer 1970 am 24. Februar 1971 herauskommen. Und Forman, einer der großen Köpfe der Nová vlna, der mit seinem letzten tschechoslowakischen Film einen Skandal und Zensurfall vorlegte, fügte sich flugs und ohne nennenswerte Verstellungen in ein New Hollywood ein: die erste Arbeit jedoch geriet zur kommerziellen Schlappe. Formans Film desavouiert genüsslich das Bild anständigen Familienlebens: Als eine Jugendliche aus dem heimischen vier Wänden verschwindet, um einer Gesangskarriere nachzugehen, befürchtet die Familie das Schlimmste; man will die Verschwundene auffinden und auf den rechten Weg zurückbringen, doch am Ende dieser Versuche hat man nicht bloß eigene Schwächen zuhauf aufscheinen lassen, sondern letztlich selber alle Hemmungen fallengelassen... als die Tochter endlich wieder heimkehrt, steht der Vater in geselliger Strip-Poker-Runde splitterfasernackt auf dem Tisch. Forman greift hier die Generationskonflikte früherer Filme wieder auf, konzentriert sich allerdings auf die Elterngeneration... und zeichnet ein Bild der Heuchelei, das zumindest der Kritik gefiel. "Taking Off" lief preisgekrönt in Cannes – sehr zum Unmut offizieller Stimmen in der Tschechoslowakei, wo die Geschichte der etwas heuchlerischen Eltern, die das verlorene Kind zurückholen möchten, ganz eigene Assoziationen geweckt haben dürfte. Mehr zum Film verrät das Review von Hobson C.
Der Film ist kein Erfolg geworden. Forman, der zu der drei Zeit kostenfrei im später von Abel Ferrara porträtierten Chelsea Hotel wohnte, inszenierte somit erst einmal für die Theaterbühne... sowie Episoden für die Omnibusfilme "I Miss Sonia Henie" (1971) und "Visions of Eight" (1973). Erst "One Flew Over the Cuckoo's Nest" (1975) – für das US-amerikanische Publikum eine zeitgemäße Verfilmung des Romans von Ken Keesey, für Forman eine Abrechnung mit der Entwicklung in seiner einstigen Heimat – katapultierte Forman dann in den Status eines Kultfilmers im New Hollywood. Mit "Hair" (1979) und "Amadeus" (1984) festigte er diese Position deutlich, mit "Ragtime" (1981) und "Valmont" (1989) verspielte er sie zumindest nicht. In dieser Zeit hatte sich eine Vorliebe herauskristallisiert: die Vorliebe für Exzentriker im Kampf mit der Norm. Die diesbezüglichen Forman-Filme par excellence sollten jedoch erst noch kommen: das Larry-Flint-Biopic "The People vs. Larry Flynt" sowie das Andy-Kaufman-Biopic "Man on the Moon" (1999).
In dem am 13. Oktober 1996 uraufgeführten "The People vs. Larry Flynt" schildert Forman in einem garstigen Sittengemälde den massiven kommerziellen Erfolg des Hustler-Gründers Larry Flint (Woody Harrelson), einem Idealtypen des US-amerikanischen Selfmademan, der peinlicherweise aber eben mit Unterleibsmotiven Karriere gemacht hatte und damit auf erhebliche Widerstände einer bigotten Gesellschaft stößt und nur unter extremen Mühen mit seinem Anwalt (Edward Norton) die Meinungsfreiheit als hohes Gut verteidigen konnte. Forman hat sich aber keineswegs nach den Ereignissen des Prager Frühlings in den USA zum Fürstreiter des Kapitalismus entwickelt, sondern lässt durchaus durchscheinen, dass die Motive des prahlerischen, vulgären Sex Maniacs und Millionärs nicht ganz dieselben seines engagierten Anwalts sind... und dennoch sind beide Figuren gleichermaßen sympythisch, wobei Harrelson im Grunde allen die Show stiehlt, wenn er etwa windeltragend im Gerichtssaal unflätig wütet oder aber deutlich intimer am Leichnam seiner Lebenspartnerin weint. Großen Anteil an der Qualität des Films haben auch die Autoren Larry Karaszewski und Scott Alexander, deren Drehbücher auch Tim Burtons Biopics "Ed Wood" (1994) und "Big Eyes" (2014) zugrunde lagen. In Formans Karriere war "The People vs. Larry Flynt" abseits des Erfolgs bei Publikum und Kritik noch aus einem ganz anderen Grund von Bedeutung: Kameramann Miroslav Ondrícek, der zuvor ausschließlich – mangels Ausreisegenehmigung – "One Flew Over the Cuckoo's Nest" nicht begleiten konnte, war auch hier (und fortan) nicht mit dabei. Ersetzt wurde er quasi von Philippe Rousselot; ebenfalls ein Tim-Burton-Kompagnon, der 1988 auch Stepgen Frears' "Dangerous Liaisons" betraut hatte, das Konkurrenz-Projekt zu Formans "Valmont".
Günstig zu bekommen ist dieser späte Forman-Klassiker als 2014 veröffentlichte Sony-Blu-ray: Fassungseintrag von Tito
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