Level Five (1997)
Bezieht man die Größe auf die Qualität, so hat Chris Marker, der Essayfilmer schlechthin, in seinem Spätwerk noch so einige große Essayfilme abgeliefert: "Le souvenir d'un avenir" (2001) über das Schaffen der Fotografin Denise Bellon, "Une journée d'Andrei Arsenevitch" (2000) über Leben, Sterben und Schaffen von Andrei Tarkovsky oder "Chats perchés" (2004) über Graffiti-Katzen in Polit-Protesten. Aber es handelte sich maximal noch um mittellange Filme, die keine volle Stunde liefen und zumeist im Fernsehen
Und so mag wohl "Level Five", uraufgeführt am 19. Februar 1997, mit rund 105 Minuten Laufzeit Markers letzter großer Essayfilm sein, der die Reihe von Marksteinen wie die allerdings biografisch ausgerichteten Essayfilme "Le tombeau d'Alexandre" (1993), "A.K." (1985) und vor allem die Reihe frei flottierender Marksteine wie "Sans soleil" (1983) – als dessen Fortsetzung Marker "Level Five" ankündigte –, "Le fond de l'air est rouge" (1977) oder "Le joli mai" (1963) fortschreibt. "Level Five" dreht sich noch einmal um Markers Lieblingsthemen: Erinnerung, Geschichte, Kino, Virtualität, Japan... In einer für den Regisseur ungewöhnlich spielfilmhaften Form wird vor dem Hintergrund von Sci-Fi- und film noir-Anspielungen davon erzählt, wie eine Frau, Laura, versucht, in einem von ihrem verstorbenen Partner entwickelten, aber unvollendeten Okinawa-Computerspiel eine Alternative zur Schlacht von Okinawa durchzuspielen; indes erziehlt sie nur Fehlermeldungen, sodass ihr Chris zur Hilfe kommen soll: der sinniert nun über Okinawa und Japan, Weltgeschichte und private Geschichten, Wahrnehmung, Erinnerung und Vergessen. Dabei kommt auch Nagisa Oshima zu Wort... Das Spielfilmhafte mag als Schwachstelle erscheinen, welche den essayistischen Assoziationsreichtum hier ein wenig lähmt und ausbremst; zumal die Nähe zum Spielfilm hier kaum in der Lage ist, ein breiteres Publikum erreichen zu können. Aber ein interessantes Gedankenspiel, das für Geschichte(n) und Geschichtsschreibung sensibilisiert, ist "Level Five" allemal: ein Muss also für alle Marker-Fans.
Optimum hat Markers späten Essayfilm vor über zehn Jahren auf preiswerter DVD herausgebracht: Fassungseintrag von PierrotLeFou
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