Si j'avais 4 dromadaires (1966)
Chris Marker, der kaum jemals sein Gesicht der Öffentlichkeit zeigte - für Agnes Varda trat er in "Les Plages d'Agnès" (2008) hinter Katzen-Avatar mit verzerrter Stimme auf, für Wim Wenders lugte immerhin die Hälfte seines Gesichts für wenige frames hinter einer selbstangefertigten Zeichnung hervor! -, war sich bewusst, dass sein Filmschaffen lediglich von einer kleinen, aber um so filminteressierteren Minderheit verfolgt worden ist: in seinen letzten Jahren präsentierte er sich dann auch als bekanntester Regisseur unbekannter Filme. Bekannt ist er vor allem bei Cineasten, die sich für den Essay- den Found Footage- und den Fotofilm interessieren: "Sans Soleil" (1984) gilt bis heute als der unerreichte, vielschichte, komplexe Meilenstein des Essayfilms schlechthin (der unter anderem Wim Wenders' Dokumentar- & Essayfilme, selbst manche seiner Spielfilme entscheidend prägte und von der Bundeszentrale für politische Bildung in ihren Filmkanon aufgenommen worden ist), der drei- bis vierstündige Found Footage-Klassiker "Le Fond de l'air est rouge" zählt zu den ambitioniertesten, essayistisch gefärbten Weltgeschichts-Dokus überhaupt, der Zensurfall "Les Statues meurent aussi" (1953) von Marker & Resnais gilt als Klassiker antikolonialistischen Filmschaffens... und dann sind da noch Markers Fotofilme: "Le Souvenir d'un avenir" (2001), "Si j'avais 4 dromadaires" und "La Jetée" (1962), der als Markers einziger Spielfilm (freilich noch immer voller Essay-Qualitäten) zu seinem massentauglichsten und bekanntesten Werk geraten ist und dessen Remake durch Terry Gilliam ("12 Monkeys" (1995)) Marker unter der Bedingung akzeptierte, dass "Blade Runner"-Co-Autor David Webb Peoples seinen Stoff adaptierte.
"Si j'avais 4 dromadaires" wirkt als zweiter Foto-Film womöglich etwas sperriger (weil die Fotos keine Handlung ergeben, sondern als Fotos kommentiert werden oder Mono- & Dialoge bebildern), wobei der Tonfall im Grunde leichtfüßig ist und einem gemütlichen Plauderton gleicht. Als Vorstufe des assoziationsreichen "Sans Soleil" mit seinen geistreichen Gedankensprüngen ist der Film jedoch nicht zu unterschätzen, treibt Marker doch hier seine essayistischen Qualitäten, die schon "Lettre de Sibérie" (1957) dominierten, so radikal voran wie nie zuvor; "In keinem Film vor 'Sans Soleil' häuft er mehr [...] Fundstücke an, die er aus der Wirklichkeit herausgebrochen hat, um ihnen eine neuartige Qualität zu verleihen", schrieb Lars Henrik Gass einmal über dieses Werk.
Worum es geht, ist daher auch kaum in wenige Worte zu fassen; um Fotografie, Erinnerung, Sprache, Medialität und Kultur natürlich in erster Linie...: Inhaltsangabe von PierrotLeFou
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