Le sang des bêtes (1949)
Er war einer der Großen des im weitesten Sinne phantastischen Films im Frankreich der 60er Jahre, der einige wenige, aber dafür beachtliche Perlen zwischen Surrealismus und Kolportage hervorbrachte, gespeist aus dem französischen Kino der frühen Langfilmzeit. Und seine Stärken – das Unwirkliche im Alltäglichen, das Radikale, das Spiel mit der Moral – tauchen bereits auf in dem Kurzfilm "Le sang des bêtes", der heutzutage längst – nach animal studies und inmitten einer errungenen Selbstverständlichkeit veganger Lebensweisen – ein Klassiker des dokumentarisch-essayistischen Film zum Verhältnis von Mensch und Vieh geworden. Und es ist einer der frühen Bezugspunkte eines politisierten Kinos, das zur Andeutung von organisiertem Unrecht in den 60er und 70er Jahren immer wieder das Schlachthaus – neben der Jagd – einband und noch heute teilweise so verfährt. Franjus Film ist aber mitnichten ein Film, der sein Publikum – 1949 wohl reichlich undenkbar – zu Vegatrier(inne)n erziehen wollte, wirft aber die Frage auf, was man eigentlich halten soll von Einrichtungen, in denen jenes Vieh geschlachtet wird, das man später als Ware Fleisch erwerben kann, ohne sich die Hände schmutzig gemacht zu haben. Eine Frage, die sich 1949 wohl kaum aufgedrängt haben dürfte, die sich aber unweigwerlich einstellt, wenn "Le sang des bêtes" von den Schönheiten des Pariser Straßenlebens hinter die Schlachthausmauern blickt, wo Tierleiber zu abtraskten Kunstwerken gerinnen, wo Kälber ohne Glieder und Kopf noch zucken, Schafe reihenweise ihre Kehlen geöffnet bekommen, Pferde Bolzen in den Schädel geschossen und Rinder zerlegt werden, sich in ihre Einzelteile – darunter auch Ungeborenes – auflösen und warmen Dampf in die Lüfte schicken, derweil ihre Schlachter bei der harten Arbeit Schweiß absondern und Zigarettendampf aushauchen und aus den Straßen niemand etwas davon mitbekommt. Die Bilder, die man aus dem Dorfalltag oder von Bauernhöfen durchaus kannte, die aber als solch abgeschiedene institutionalisierte und nicht enden wollende Massenschlachtungen wenige Jahre dem Holocaust ein Unbehagen auslösten, sollten sich später auch für extreme Tierschützer(innen) eignen, den Holocaust selbst zum Argument in eigener Sache herabzuwürdigen. Tatsächlich lässt sich unterschwellig erahnen, dass Franu seinerseits die Eindrücke des Holocaust im Hinterkopf hatte, wenn er gegen Ende in den Himmel aufragende Türme dampfende Eisenbahnen in Erscheinung treten lässt; aber er nutzt indes wie viele seiner Nachfolger(innen) umgekehrt das Bild des geheimen Schlachthauses mit sauberen Außenmauern und einem blutigen suppenden Innenhof, um Fragen auszuwerfen, was solche Strukturen über eine Gesellschaft aussagen. Fragen, die weit über das Feld der Tierethik hinausführen.
Seit gut drei Jahren liegt der Film auch hierzulande auf Blu-ray vor: Fassungseintrag von Vince
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