Beyond the Rocks (1922)
Sam Wood: vielleicht keine Ikone der Filmregisseure des Classical Hollywood, aber doch zumindest der Regisseur hinter zwei der spaßigsten Marx-Brothers-Filme oder hinter Literaturverfilmungen wie "Our Town" (1940) und "For Whom the Bell Tolls" (1943); noch dazu einer der Regisseure hinter "Gone With the Wind" (1939). Woods Frühwerk ist indes nicht ganz so bekannt. Aber durchaus lohnenswert, wie sein am 7. Mai 1922 erschienenes Stummfilm-Drama "Beyond the Rocks" nach dem gleichnamigen, 16 Jahre älteren Roman der Autorin Elinor Glyn zeigt. Dies besitzt schon aus Gründen der Besetzung ein interessantes Alleinstellungsmerkmal, spielen hier doch erst- und letztmalig zwei der ganz großen Hollywood-Stars in einem Film: Gloria Swanson und Rudolph Valentino. Entsprechend groß war das Interesse an diesem Stummfilmklassiker Mitte des 20. Jahrhunderts, als Swanson und Valentino freilich noch etwas populärer waren als heutzutage. Dass "Beyond the Rocks" damals jedoch als unauffindbar galt, nährte dieses Interesse noch. Erst im 21. Jahrhundert tauchte der Film wieder auf: Im Jahr 2002 (wenn man dem französischsprachigen Wikipedia-Eintrag Glauben schenken will), im Jahr 2003 (wenn man dem englischsprachigen Wikipedia-Eintrag Glauben schenken will, der sich immerhin mit dem Texttafel-Hinweis zur Restaurierung in der restaurierten Fassung deckt) oder auch im Jahr 2004 (wenn man dem italienischsprachigen Wikipedia-Eintrag Glauben schenken will, der zumindest insofern richtig liegt, dass der Fund des Films im Frühjahr 2004 bekannt gegeben worden ist). Sicher ist zumindest: Am 26. Mai 2005 wird der wiederentdeckte und restaurierte Film erstmals wieder aufgeführt, im Folgejahr folgte seine DVD-Veröffentlichung. Die reichlich moralisierende Geschichte einer Frau (Swanson) zwischen ihrem reichen, älteren, kaum geliebten Ehemann und ihrem jüngeren, sie begehrenden, attraktiven Lebensretter (Valentino) besticht mit einer Inszenierung, die immer wieder Wert auf die Details legt: Beim Abschied der Braut vom (an der Eheschließung maßgeblich beteiligten) Vater an der Schwelle der Gartenpforte etwa biegen sich die Sträucher und Bäumchen um sie herum als Ausdruck der stürmischen Gefühle. Mit unerwarteten Ausflügen ins Spektrum des Bergfilms, des Kostümfilms und des Abenteuerfilms wird die Handlung ein wenig aufgelockert, während sie zugleich doch sehr konsequent ihr Ziel verfolgt: Alle Beteiligten verhalten sich anständig, der ältere Ehemann anerkennt die wahren Gefühle und Bedürfnisse seiner Frau und begibt sich sehendes Auges in eine gefährliche Lage, um dann letztlich (sterbend) dem künftigen Paar eine erfüllende Zukunft zu wünschen. Dass sein Ableben in diesem Stoff für solch eine Zukunft notwendig zu sein scheint, verleiht dem Drama nach heutigen Maßstäben freilich eine etwas altbackene, arg konservative Moral. Kein anständiger Scheidungsprozess entlässt die Figuren in eine für alle erfüllende Zukunft, erst recht gibt es hier keine gleichberechtigte Liebe zu dritt. Ja, das Ableben des Gatten lässt nicht einmal Gewissensbisse aufkommen: Dieses Desinteresse an den scheiternden Konkurrenten in Hollywoods Liebesdreieck-Schmonzetten zieht sich noch bis in die modernen Liebesdramen und RomComs. Dennoch hat der freiwillige Verzicht des relativ mächtigen Mannes eine ergreifende, imponierende Seite, die solche Fragwürdigkeiten immerhin ein wenig ausgleicht. Und Woods Inszenierung und das Charisma der Stars tun ein Übriges, um aus diesem lange unzugänglichen Stummfilm eine reizvolle Seherfahrung zu machen.
Registrieren/Einloggen im User-Center