The Texas Chain Saw Massacre (1974) & Non si deve profanare il sonno dei morti (1974) & Frightmare (1974)
Schon im Anniversary-Text zu "Deranged" (1974) war auf den Tabubruch des Kannibalismus hingewiesen worden, der sich Anfang/Mitte der 70er Jahre auf den Leinwänden breitmachte. Im Herbst 1974 kulminierte das Motiv gleich in drei Klassikern unterschiedlicher Ausformungen des Horrorfilms: Der Zombie-Film "Non si deve profanare il sonno dei morti" (1974), den der für politisierte Parabeln offene aber seit Kurzem am Horrorfilm interessierte Regisseur Jorge Grau noch vor "Dawn of the Dead" (1978) als einen der wichtigsten "Night of the Living Dead"-Nachfolger ablieferte. Der am 30. September 1974 uraufgeführte Film zeigt in aller Deutlichkeit das Ausweiden und Verschlingen menschlicher Leiber durch auferstandene Tote. Ein bedeutungsschwangeres Bild für eine Gesellschaft, in der einerseits eine unheilvolle Allianz auf technischen Möglichkeiten und kommerziellen Interessen auf Natur und Umwelt keine Rücksicht nimmt und in der andererseits eine sorgsamere Gegenkultur von einem semi-faschistischen Polizeichef kriminalisiert wird. Ähnlich, aber weniger phantastisch, geht auch Tobe Hooper vor: Sein am 1. Oktober 1974 uraufgeführter Terrorfilm-Klassiker "The Texas Chain Saw Massacre" präsentiert eine texanische Familie von Schlachtern und Köchen, deren Handwerk mit der neuen Technisierung der Schlachthäuser zu Teilen überflüssig geworden ist. Überall zeichnet sich der Kontrollverlust dieser überflüssig Gewordenen, die noch vage in die Tradition von Western-Pionieren gestellt werden, ab: Der immobile Großvater ist mehr tot als lebendig, gerät aber bei der Vorbereitung zum Schlachten in infantile Verzückung, wenn er quasi mit dem Blut eines Opfers gesäugt wird, die Großmutter ist bloß noch eine Mumie, in die Frauenrolle schlüpft der derangierte, kettensägenschwingende Hüne Leatherface (Gunnar Hansen), der von den immerhin kommuniklationsfähigen Familienmitgliedern (Edwin Neal, Jim Siedow) befehligt wird, derweil sie psychische Probleme zuhaus erkennen lassen. Schon seit Längerem haben sie sich offenbar darauf verlegt, menschliche Körper zu verarbeiten: zu Wurst, zu Möbeln, zu Dekoration … Hoopers Film folgt einer Gruppe junger Leute, die im Vietnam-Kriegs-Amerika den aus der Zeit gefallenen Pionier-Nachfahren zum Opfer fallen – und konzentriert sich als Terrorfilm par excellence vor allem auf das schier nicht enden wollende Martyrium der Hauptfigur Sally Hardesty (Marilyn Burns). Und der Kannibalismus gerät relativ deutlich zum Bild einer sich, einer der Jugend zerfleischenden Gesellschaft. Pete Walkers am 6. November 1974 uraufgeführter britischer "Frightmare" ist anders als Hoopers Hinterwäldler-Terrorfilm ein bizarrer Streifen, der einen wesentlich zivilisierteren Kannibalismus ins Auge fasst: In unauffälliger Umgebung brechen hier die primitiven kannibalistischen Gelüste aus, die in diesem Kontext um so verstörender anmuten. Walker hält sich hinsichtlich der Darstellung ziemlich zurück und knüpft kaum eine gesellschaftspolitische Bedeutung an das Motiv des Kannibalismus, sondern nutzt es als verstörenden Ausdruck einer gestörten Psyche, mit der (und deren Vererbbarkeit) Walker durchaus effektiv hausieren geht – wobei die Darstellung psychischer Erkrankungen wie später in "Schizo" (1976) nicht unproblematisch ausgefallen ist.
Mittlerweile liegen alle Filme in schönen Edition im deutschsprachigen Raum in ungekürzter Form auf Blu-ray vor: "The Texas Chain Saw Massacre"-Fassungseintrag von pinheadraiser1, "Non si deve profanare il sonno dei morti"-Fassungseintrag von andeh, "Frightmare"-Fassungseintrag von Black Smurf
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