L'etrusco uccide ancor (1972) & Sette orchidee macchiate di rosso (1972) & Cosa avete fatto a Solange? (1972)
Gelb, silber, grün... Der giallo triggerte nicht bloß mit audiovisueller Überreizung das Bewusstsein für die Wahrnehmung selbst, die sich (samt ihrer erinnerten Nachbilder und der geistigen Verarbeitung) auf Handlungsebene regelmäßig als höchst fehleranfällig erwies, sondern er spielte oftmals schon in den Titeln auf den Gesichtssinn (und seltener auf den Gehörsinn) an: blutiges Rot ließ sich besonders häufig finden – in "Profondo rosso" (1975) natürlich, aber auch in "Enigma rosso" (1978), "La dama rossa uccide sette volte" (1972), "Sette orchidee macchiate di rosso" oder "Il rosso segno della follia" (1970) –, ebenso Schwärze als hoffnungsloseste Farbe, die nicht einmal eine ist – in "Occhiali Neri" (2022), "Solamente nero" (1978), "Sette note in nero" (1977), "Il profumo della signora in nero" (1974), "Giornata nera per l'ariete" (1971) oder "La Tarantola dal ventre nero" (1971) – und gelegentlich auch das zur Genrebezeichnung avancierte Gelb selbst – wie in "La ragazza dal pigiama giallo" (1977) oder "Giallo" (2009)... aber auch andere Farben wie Grau – "4 mosche di velluto grigio" (1971) –, Blau – "Labbra di lurido blu" (1975) – oder Weiß – "Un Bianco Vestito Per Mariale" (1972) – tauchten in den Titel auf, gelegentlich auch gleich alle möglichen Farben zusammen: in "Tutti i colori del buio" (1972)... Und das galt auch für die (oftmals freien) englischen Titel – "Blood and Black Lace", "Symphony in Blood Red" – oder die deutschen: "Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe", "Der Tod trägt schwarzes Leder", "Das Geheimnis der grünen Stecknadeln", "Das Geheimnis des gelben Grabes", "Das Rätsel des silbernen Halbmonds"...
Schon das eint den deutschen Titeln zufolge den am 7. Januar 1972 uraufgeführten "L'etrusco uccide ancor" (Das Geheimnis des gelben Grabes), den am 24. Februar 1972 uraufgeführten "Sette orchidee macchiate di rosso" (Das Rätsel des silbernen Halbmonds) und den am 9. März 1972 uraufgeführten "Cosa avete fatto a Solange?" (Das Geheimnis der grünen Stecknadeln), die im ersten Quartal des Jahres herauskamen. Dass gleich zwei der Übersetzungen eine Farbe hinzudichten, derweil im Originaltitel keine Farbe vorkommt, und dass die dritte Übersetzung aus der Farbe des Originaltitels eine ganz andere Farbe macht... ja, das mag als Indiz taugen, dass hierzulande auch eine ganz eigene Mode bestand, Filmtitel mit Farben aufzupeppen. Aber es ging – soviel sei vorweggenommen – nicht wie beim giallo darum, den Gesichtssinn anzuspielen... Besagte Mode betraf vor allem eine deutsche Spielart des Kriminalfilms, den Krimi; und insbesondere eine wohlig gruselige, humorvoll aufgelockerte Krimi-Reihe, die mit Titel aufwartete wie "Der rote Kreis" (1960), "Der grüne Bogenschütze" (1961), "Das Geheimnis der gelben Narzissen" (1961), "Das Rätsel der roten Orchidee" (1962), "Der schwarze Abt" (1963), "Der Fluch der gelben Schlange" (1963), "Das Rätsel des silbernen Dreieck" (1966), "Das Geheimnis der weißen Nonne" (1966) oder "Die blaue Hand" (1967). Es handelt sich freilich um die Edgar-Wallace-Filme (wobei die Rialto-Film-Produktionen den engeren, wahren Kern ausmachten), die zwischen 1959 und 1972 boomten und als Auslaufmodelle von Papas (totgesagten) Kino zu den nachhaltig erfolgreichsten deutschen Unterhaltungsfilmen jener Jahre zählten... Jahre, in denen hierzulande der Farbfilm erst allmählich den S/W-Film ablöste, wobei in der Edgar-Wallace-Filmreihe der teils farbige, weitestgehend schwarzweiße "Der unheimliche Mönch" (1965, Anniversary-Text) den Umbruch markierte. Im Rahmen solcher (lange Zeit schwarzweißen) Krimis schienen die Farben im Titel zunächst eher etwas zu betonen, was inmitten der S/W-Ästhetik unsichtbar bleiben musste; und schienen die Farben im Titel späterhin die Neuartigkeit der (in "Der unheimliche Mönch" als Gimmick ausgestellten) Farben zu unterstreichen.
Und die Edgar-Wallace-Filmreihe eint als zweiter Punkt die drei genannten gialli: denn Umberto Lenzis "Sette orchidee macchiate di rosso" ist zugleich als "Das Rätsel des silbernen Halbmonds" der letzte Edgar-Wallace-Film und der mit Joachim Fuchsberger besetzte "Cosa avete fatto a Solange?" Massimo Dallamanos zugleich als "Das Geheimnis der grünen Stecknadeln" der vorletzte Edgar-Wallace-Film. Und Armando Crispinos "L'etrusco uccide ancor" kann ganz am Rande hinzugezählt werden, denn zugrunde liegt ein Stoff von (Bryan) Edgar Wallace (jr.), dem Sohn von (Richard Horatio) Edgar Wallace (sr.): über den Namen Bryan Edgar Wallace wurden hierzulande etwa die ersten gialli Dario Argentos vermarktet als auch Krimis, die vom Edgar-Wallace-Boom profitieren sollten, weshalb sich in einer sehr weiten Auslegung auch die (freien oder gar nur angeblichen) Verfilmungen nach Bryan Edgar Wallace zu den Edgar-Wallace-Filmen rechnen lassen.
In "L'etrusco uccide ancor" bewegen sich Samantha Eggar und Horst Frank durch eine giallo- und Gruselkrimi-Handlung, in der sich die Ritualmorde der Wandmalereien einer etruskischen Grabstätte in der Realität ereignen, nachdem ein Archäologe die Grabstätte entdeckt hat. Es könnte, so legt es der italienische Titel nahe, ein alter Etrusker auferstanden sein... Gruselkrimi-Feeling und giallo-Motive (wie die Wandmalereien) gehen hier Hand in Hand, wobei die Brutalität des Films mehr für die giallo- und weniger für die Edgar-Wallace-Fraktion taugen dürfte. Mehr zum Film verrät das Review von buxtebrawler...
"Sette orchidee macchiate di rosso", Lenzis Thriller über einen geheimnisvollen Mörder, der bei seinen Opfern, die sich alle zuvor in ein und semselben Hotel aufgehalten haben, ein kleines Schmuckstück zurücklässt, wartet immerhin mit Uschi Glas auf, die ihr Filmdebüt als Ursula Glas in "Der unheimliche Mönch" gegeben hatte und nun fünft- und letztmalig in der Edgar-Wallace-Filmreihe agierte. Ansonten wurde der Film, der weder Fuchsberger noch einen anderen Ermittler der beliebten Reihe zu bieten hatte und der auch keinerlei Grusel-Feeling anstrebte, noch um die auch hier mehr giallotypische Brutalität erleichtert; überhaupt fiel die deutsche Version 15-20 Minuten kürzer aus als die italienische. Mehr zum Film verrät das Review von Moonshade...
"Cosa avete fatto a Solange?" weist als vorletzter Edgar-Wallace-Film (der indes früher fertiggestellt war als der letzte Wallace-Film, der als italienischer giallo dann auch früher seine Uraufführung erlebte) noch ein 13. Mal Joachim Fuchsberger in der Rolle des Ermittlers auf: An seiner Seite stehen unter anderem Karin Baal und Fabio Testi, der wie der Komponist Ennio Morricone mehr für das giallo-Flair verantwortlich war. Auch die (freilich in London angesiedelte) Handlung unterstützt diesen, denn es geht in "Cosa avete fatto a Solange?" um sexuelle Triebe und Prüderie, um Traumatisierung und Verkleidung: Standard-Versatzstück des giallo-Thrillers. Und Dallamanos Film gehört durchaus zu den besseren gialli, gleichwohl eingefleischte Edgar-Wallace-Fans arg enttäuscht sein mussten, dass hier trotz Fuchsberger doch andere Wege beschritten werden. Zudem ist "Cosa avete fatto a Solange?" der erste Teil einer äußerst losen giallo-Trilogie, die noch Dallamanos "La polizia chiede aiuto" (1974) – also den schon genannten "Der Tod trägt schwarzes Leder" – sowie den unter anderem von Dallamano geschriebenen und von Alberto Negrin inszenierten "Enigma rosso" umfasst. Mehr zum Film verrät das Review von buxtebrawler...
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