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von PierrotLeFou

Vor 75 Jahren: Neue Gegebenheiten im Nachkriegsdrama von Marcel Carné

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Les portes de la nuit (1946)

Mit Filmen wie "Le Quai des brumes" (1938), "Hôtel du Nord" (1938) oder "Le jour se lève" (1939) mauserte sich Marcel Carné zu einem der großen Hauptvertreter des poetischen Realismus. Der letztgenannte Titel wurde noch vor Beginn des Zweiten Weltkrieges gedreht und uraufgeführt – und fiel ihm dann insofern zum Opfer, als er im Vichy-Regime verboten worden war. Carné knickte aber keinesfalls ein und drehte zwei seiner Karrierehöhepunkte während des Krieges: "Les visiteurs du soir" (1942), der sich als fantastische Allegorie über die Besatzung lesen lässt, und "Les enfants du paradis" (1945), ein Höhepunkt des poetischen Realismus und Carnés wohl wichtigstes Werk, das unter schwierigen Bedingungen mit jüdischen Mitwirkenden und etlichen Resistance-Mitgliedern entstanden ist und im befreiten Paris uraufgeführt wurde.
"Les portes de la nuit", am 3. Dezember 1946 uraufgeführt, ist dann nicht bloß Carnés erster Nachkriegsfilm, sondern beinahe auch ein Film über die Nachkriegszeit... beinahe – das heißt: der Film spielt zwar im Frühjar 1945, allerdings im befreiten Paris, wo sich Résistancekämpfer und Kollaborateure gleichermaßen aufhalten. Opfer, Helden und Verräter tummeln sich nebeneinander – und Carné arbeitet auf diese Weise eine Zeit auf, in der er selbst Engagement zeigte und der Zensur zum Opfer fiel. Es ist ein Nachkriegs-Szenario, das man vor allem auch im deutschen Nachkriegs- und Wirtschaftswunder-Kino finden konnte, wo sich die Schuldfrage noch einmal ganz anders stellte, erzählt einmal mehr im Stil des poetischen Realismus: Pierre Brasseur, Serge Reggiani, Yves Montand, Raymond Bussières und der große Jean Vilar in der bedeutsamen Rolle eines Clochard, in dem sich der fatalistische Wesenszug des poetischen Realismus gerade in personifizierter Form entdecken lässt, agieren – neben Georges Batailles damaliger Ehefrau Sylvia Bataille – in diesem Liebes- und Kriminaldrama, in dem Jean Diego (Montand) den Kollaborateur und Verräter (Reggiani) seines Freundes und (knapp überlebt habenden) Gestapo-Opfers (Bussières) straft, woraufhin dieser einen Kriegsgewinnler und so eifersüchtigen wie frisch zerstrittenen Gatten (Brasseur) seiner Schwester Malou (Nathalie Nattier) bewaffnet und auf die Spur der Frau bringt, die sich gerade frisch mit Jean Diego angefreundet hatte... Im befreiten Paris müssen sich die skrupelloseren Mitmenschen plötzlich vor ihren unschuldigeren Landsmännern verantworten – und erweisen sich noch immer als skrupellos und gefährlich. Dieser auf einem Ballet von Jacques Prévert und Joseph Kosma basierende Film ist der vorletzte, den Carné in enger Zusammenarbeit mit Prévert in Drehbuchautorfunktion bewerkstelligte – und die letzte ihrer Zusammenarbeiten, die nochmals Klassikerstatus erreichen konnte, wenngleich "Les portes de la nuit" in der Euphorie der Nachkriegszeit mit seinem fatalistischen, pessimistischen Ton nicht mehr so recht punkten konnte. Punkten konnte allerdings Kosma, dessen Chanson "Les Feuilles mortes" hier vom Clochard Jean Vilar auf der Mundharmonika dargeboten wurde und zu einem immens populären Erfolg geriet...
Seit 15 Jahren ist Carnés Klassikers bei Universum auf der Yves Montand Collection mit drei weiteren Filmen auf DVD zu erhalten: Fassungseintrag von jtip


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