Opfergang (1944)
Am 8. Dezember 1944 erlebte ein schwülstiger, fiebriger Rausch vom später erst umstrittenen, schließlich verworfenen "Jud Süß"-Regisseur, dem Propagandafilmer Veit Harlan, seine Uraufführung. Ein Film, den Goebbels wegen seiner "Todeserotik" und des "transzendentalen" Anstrichs wenig schätzte; ein Film, der aber auch das Prädikat "Künstlerisch besonders wertvoll" erhielt. Nicht zuletzt wegen seiner ausgeklügelten Agfacolor-Farbdramaturgie wird der Film auch heutzutage immer wieder als höchst verführerischer, schwelgerischer Rausch gepriesen – und Goebbels Ablehnung scheint lobende Worte noch zu erleichtern, sodass man in der geringschätzen "Todeserotik" gar eine fast schon subversive Abweichung von typischen Propagandapfaden erblickte. Gleichwohl melden sich auch immer wieder kritische Stimmen zu Wort, welche die Farbpracht und den Einfluss (beispielsweise auf Fassbinders Melodramen) gar nicht leugnen, aber diese romantisierte Morbidität, das Faszinosum einer Krankheit zum Tode – die geradezu mitreißend in Erscheinung tritt –, die schwermütige Schicksalssinfonie mit Reichswasserleiche Kristina Söderbaum (die einmal mehr dahinsiecht, aber im Siechen aufgeht und das Publikum mit sich reißt) vor dem Hintergrund der letzten Kriegsmonate thematisieren. Hier scheint eine für Mystik und Esoterik offene Form des Nationalsozialismus zu wirken, deren Wurzeln man in einer missbrauchten Romantik vermuten kann, für die Goebbels mit seiner "stählernen Romantik" in ihrer eigentlich Form eher wenig übrig hatte – und die Syberberg in seiner deutschen Trilogie gegen den Nationalsozialismus verteidigen wollte (um in seiner Hinwendung zur Romantik und seiner Schmähkritik der Kunst um/ab 1968 später selbst immer mehr die Tradition des Nationalsozialismus gerückt zu werden).
Es darf aber nicht unterschlagen werden, dass der Film bereits im Sommer 1942 begonnen und im Januar 1943 abgeschlossen worden war – mehr oder weniger parallel zu "Immensee" (1943), Harlans anderem Farbfilm, entstanden. Und die literarische Vorlage war – gänzlich unverdächtig – ohnehin schon 1912 herausgekommen... entstammte allerdings dem späteren nationalsozialistischem Aushängeschild Rudolf G. Binding, das Harlans Filmversion nicht mehr erleben sollte: Binding starb bereits 1938. Christoph Schlingensief jedenfalls drehte Jahrzehnte später mit "Mutters Maske" (1988) ein freies Remake, großartig besetzt mit Helge Schneider und Udo Kier: Hier wird dieses Schwelgen im Morbiden vollkommen der Lächerlichkeit preisgegeben.
Wer Harlans umstrittenen Klassiker erwerben will, kann auf seine restaurierte Veröffentlichung bei Concorde zurückgreifen, wo zeitgleich auch die restaurierte Version von "Immensee" herausgekommen ist: Fassungseintrag von MMeXX
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