Romanze in Moll (1943)
Reichspropagandaminister Joseph Goebbels war wenig begeistert und legte sein Veto ein: Helmut Käutners melancholisches Drama „Romanze in Moll“ hätte im Januar 1943, kurz nach der verlorenen Schlacht um Stalingrad, wenig zur moralischen Erbauung des deutschen Volkes in der Heimat beigetragen – denn das war schließlich die Aufgabe des Kinos während der Kriegsjahre im Nationalsozialismus. Erst einige Monate später kam der Film am 25. Juni 1943 doch noch in die Kinos, und wieder einmal war es Käutner gelungen, an der dumpfen NS-Massenideologie vorbei die Freiheit und das Glück des Individuums zu beschwören.
Die Tatsache, daß Käutner sich mit keinem seiner Filme, auch nicht mit „Romanze in Moll“, in Opposition zum Regime stellt (siehe auch den Anniversary-Text zu „Kleider machen Leute“, 1940), darf nicht den Blick darauf verstellen, daß hier ein Filmkunstwerk höchsten Ranges vorliegt. Käutner und der Drehbuchautor Willy Clever hatten sich von Kurzgeschichten von Guy de Maupassant inspirieren lassen und eine tragische Dreiecksgeschichte entworfen, in der eine kleinbürgerliche Ehefrau (Marianne Hoppe) sich zwischen ihrem spießigen Ehemann (Paul Dahlke) und einem eleganten Komponisten (Ferdinand Marian) hin- und hergerissen sieht. Die elegante Erzählstruktur, die verschiedene Rückblenden aufeinander bezieht, wird sekundiert durch eine bemerkenswert flüssige Kameraarbeit, sorgfältig verschattete Lichtsetzung und geschickte Szenenübergänge (oftmals Match-Cuts). In einer Szene ist es Käutner selbst, der als Dichter auftritt und ironisch-selbstreflexiv auf die Poetizität der gerade erzählten Geschichte verweist. Die drei Hauptdarsteller schaffen es indessen, mit ihrem natürlichem Spiel das Dilemma von Madeleine – ihr Wunsch nach der Erfüllung ihrer wahren Liebe, dem ihre Pflicht als verheiratete Frau entgegensteht – in der Balance zu halten und weder den Ehemann noch den Liebhaber zum Schuldigen zu erklären. Denn schließlich ist es das gesellschaftliche System am Ende des 19. Jahrhunderts mit seinen Zwängen der sozialen Schichten und Geschlechterrollen, an dem Madeleine zerbricht.
Angesichts der komplexen Thematik und der herausragenden künstlerischen Qualität steht die „Romanze in Moll“ zeitgenössischen Werken des Poetischen Realismus in nichts nach, genießt jedoch leider derzeit nicht das Ansehen, das ihr zusteht. Es sollte Käutner noch zwei weitere Male gelingen, unter der Propagandamaschine des NS-Regimes menschliche Dramen zu verfilmen: einmal deftig und krachend mit der „Großen Freiheit Nr. 7“ (1944) und einmal zart und leise mit „Unter den Brücken“ (gedreht 1944, gezeigt 1946). Die „Romanze in Moll“ gehört zweifelsohne in diese Trilogie der unglücklichen Liebesgeschichten, die in finsteren Zeiten entstanden ist und angesichts dieser den Rückzug auf das Menschlich-Private wählt. Immerhin ist der Film nach langer Durststrecke für den Heimkinomarkt wieder verfügbar, denn er wurde 2013 frisch abgetastet und liegt seit 2016 in der äußerst empfehlenswerten Jubiläumsbox der Murnau-Stiftung als Blu-ray (Fassungseintrag) und DVD vor.
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