The Beguiled (1971) & Play Misty for Me (1971) & Dirty Harry (1971)
Gerade stand Clint Eastwood, mittlerweile ganze 90 Jahre alt, wieder vor und hinter der Kamera – für "Cry Macho", der vermutlich in diesem Jahr herauskommen wird. Mit seiner Rolle als in die Jahre gekommener ehemaliger Rodeo-Star verweist Eastwood natürlich auf seine Anfänge: Nachdem er ab 1955 Kleinstauftritte in B-Movies wie "Tarantula" (1955) oder "Revenge of the Creature" (1955) absolvierte, empfahl er sich mit kleinen Auftritten in Western wie "Star in the Dust" (1956), "The First Traveling Saleslady" (1956), "Death Valley Days: The Last Letter" (1956), "Ambush at Cimarron Pass" (1958) oder "Maverick: Duel at Sundown" (1959) für die Rolle des Rowdy Yates in der Westernserie "Rawhide" (1959-1965), die er über zweihundert Mal spielte... Der amerikanische TV-Serienstar mit Western-, Cowboy- und Revolvermann-Image spielte dann in der ausländischen Produktion "Per un pugno di dollari" (1964) die Hauptrolle, die ihn nun mit kleiner Verzögerung international zum großen Kino- und Westernstar avanciere lassen sollte. Die Bedeutung von Leones Dollartrilogie für den italienischen Western, den US-amerikanischen Spätwestern, für Ennio Morricone, Leone selbst und Clint Eastwood war erst nachträglich so richtig einzuschätzen, aber für Eastwood endete damit eine längere Phase der TV-Arbeit: Nachdem er seine Paraderolle in "Per qualche dollaro in più" (1965) und "Il buono, il brutto, il cattivo" (1966) wiederholt hatte (und in Italien noch in einer Episode des Omnibusfilms "Le streghe" (1967) zu sehen war), begann nun auch in den USA die ganz große Leinwand-Karriere für Clint Eastwood. Als Arizona Deputy Sheriff Coogan zog er durch Don Siegels Crime-Reißer "Coogan's Bluff" (1968) mit Western-Motiven, dann als Marshal Jed Cooper durch Ted Posts "Hang 'Em High" (1968) und als Lt. Schaffer durch das Kriegsabenteuer "Where Eagles Dare" (1968). In "Paint Your Wagon" (1969) und Don Siegels "Two Mules for Sister Sara" (1970) dominierte dann wieder das Western-Genre, derweil das Kriegsabenteuer "Kelly's Heroes" (1970) zumindest eine Nähe zu den Westernversatzstücken der letzten Jahre aufwies.
Am 23. Januar 1971 kam dann erneut ein Don Siegel mit Clint Eastwood in der Hauptrolle in die Kinos: "The Beguiled", der erste von drei Eastwood-Filmen im Jahr 1971, die allesamt eng mit Siegel verknüpft waren. "The Beguiled" spielt mitten im Sezessionskrieg und lässt einen Unionssoldaten, den Corporal John McBurney, verwundet in die Obhut der Frauen eines Pensionats geraten, die seine Anwesenheit vor den Konföderierten geheimhalten. Erotisches Begehren führt zu Spannungen, der Hahn im Korb droht die Harmonie unter den Frauen gehörig ins Wanken kommen zu lassen. Die Situation spitzt sich zu, McBurney wird verwundet, eines seiner Beine wird amputiert, was die Lage zusätzlich anheizt, und schließlich entledigen sich die Frauen des Eindringlings, indem sie ihm giftige Pilze vorsetzen. Dass der Film nach einem Roman von Thomas Cullinan einen Geschlechterkonflikt schilderte, war schon damals offensichtlich. Man stieß sich allerdings noch nicht so sehr an diesem Stoff, in dem ein Mann (der Union) von einer Gruppe von Frauen (der Südstaaten, in deren Haushalt auch eine farbige Slavin arbeitet) zerstört wird. Erst Sophia Coppolas Neuverfilmung aus dem Jahr 2017 stellte noch einmal klar, dass die Perspektive eine sehr männliche war – wobei "The Beguiled" keinesfalls eindeutige s/w-Malerei betreibt. Doc Holiday stellt in seinem ausführlichen Review die durchaus vorhandenen Qualitäten dieser Geschichte einer Kastration gekonnt heraus...
Am 4. August 1971 kam dann "Play Misty for Me" in die Kinos: Die erste Regiearbeit Eastwoods, der seine Zusammenarbeiten mit Siegel als so wichtig für seinen eigenen Werdegang erachtete, dass er diesem Stammregisseur eine Minirolle in seinem Regiedebüt gab. Auch "Play Misty for Me" schildert gewissermaßen wieder einen Geschlechterkampf – und Regisseur Eastwood lässt sich selbst als Hauptdarsteller (nachdem Steve McQueen abgelehnt hatte) an eine Verehrerin geraten, welche die Trennung nach einer flüchtigen Affäre nicht zu überwinden vermag: Als Radiomoderator Dave plagt sich Eastwood somit mit der fanatischen Verehrerin Evelyn Draper (Jessica Walter) herum, die alsbald zur gefährlichen Bedrohung gerät. Eastwood nimmt hier quasi Adrian Lynes späteren "Fatal Attraction" (1987) vorweg – und lässt im Rahmen der noch jungen Frauenbewegung seiner Zeit die Möglichkeit einer antifeministischen Lesart durchaus zu, wobei Evelyn als Figur allerdings letztlich eine Frau ist, die sich voll und ganz von einem Mann abhängig macht. Eastwood ließ (nachvollziehbarer) rachsüchtigen Frauen später in "Sudden Impact" (1982) und "Unforgiven" (1992) mehr Sympathie entgegenkommen: dort handelte es sich (zumindest im Ansatz) um rape and revenge-Strukturen, wohingegen "Play Misty for Me" das Bild der psychotischen Frau verwendet, das damals auch in Polanskis "Repulsion" (1965) oder de Palmas "Sisters" anzutreffen war. Als einzelner Film mag die Geschichte der gefährlichen Verehrerin zulässig und auch einigermaßen glaubwürdig erscheinen: übel genommen wurde Eastwood hingegen in späteren Jahren der Umstand, dass Frauen bei ihm meist entweder pathologische Verführerinnen und femme fatales waren (am deutlichsten vielleicht in "The Rookie" (1990)) oder aber empathievoll liebende, heilsame Gefährtinnen, die dann aber passiver, schwächer und beschützenswerter erschienen. (Erst im Laufe der 1990er Jahre lockerte sich diese Masche, am erfolgreichsten sicher in "Million Dollar Baby" (2003).) Sich selbst inszenierte er indes regelmäßig als siegreichen, tatkräftigen, tapferen, harten, anziehenden und verführerischen Mann. Betrachtet man "Play Misty for Me" im Kontext der Frauenfiguren in anderen Eastwood-Filmen der 70er Jahre, so kann man schon verstehen, weshalb Eastwood (und seine Rollenfiguren) seinerzeit viel Kritik als (vermeintlicher oder tatsächlicher) Macho und Reaktionär erdulden musste. Seit fünf Jahren liegt dieses Debüt nun auch auf Blu-ray vor: Fassungseintrag von Black Smurf
Als am 21. Dezember 1971 dann schließlich Siegels "Dirty Harry" erstmals zu sehen war (in welchem Siegel ein Plakat für "Play Misty for Me" unterbrachte), prasselte Kritik dieser Art zuhauf auf Eastwood (und auch auf Siegel) ein: Der Polizeithriller, in dem Eastwood mit brachialen Methoden einen perfiden, sadistischen und zugleich erbärmlichen Serientäter (orientiert am Zodiac Killer) zur Strecke bringt, stellte Eastwood nach seinem Regiedebüt einen weiteren einschneidenden Film an die Seite – etablierte er doch den hartgesottenen polizeilichen Ermittler als weitere Paraderolle Eastwoods neben dem Westerner und Gunslinger. Fünf Mal schlüpfte Eastwood in die Rolle des Harry Calahan, der sich mit schnodderigen Sexismen und Rassismen, einer Verachtung für Bürohengste und Paragrafenreiter sowie mit Methoden an der Grenze zur Selbstjustiz (welche in Teil 2 und 4 der Reihe deutlicher thematisiert worden waren) als harter Cop präsentierte, der in Extremsituationen mit extremen Mitteln Erfolge erzielte. Was von Siegel als moralisches Dilemma ersonnen worden war, das sich mit einer Notwendigkeit von verabscheuenswürdiger Gewalt beschäftigte (welche in Rettungsfolterdiskursen bis heute aktuell ist), verkam in folgenden Fortsetzungen und ähnlich gestrickten Filmen, teils auch unter Eastwoods Regie, zu einer tatsächlich reaktionären Chose: Gipfelpunkt dürfte dann wohl die Actionkomödie "The Rookie" sein, in der Eastwood den Kontrahenten stellt, um ihm – aus Hass und der Befürchtung, ein juristisches Verfahren hätte nicht den gewünschten Erfolg – eine Kugel in den Schädel zu jagen. Dieses Bedürfnis ist im ersten, superb inszenierten "Dirty Harry" bereits wahrzunehmen.
Sehr differenziert hat sich buxtebrawler in seinem Review des einstmals kontrovers aufgenommenen Klassikers angenommen...
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Kleines Jubiläum anderer Art: Der 750. Text dieser Rubrik ist nunmehr draußen… Nochmals dicken Dank an die Ko-Autoren… ( Und allen ein schönes Wochenende… 🙂 )