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von PierrotLeFou

Vor 100 Jahren: (Däne)Markstein des SciFi-Films

Stichwörter: 1910er Abenteuer Daiber Dänemark Holger-Madsen Jubiläum Klassiker SciFi Spielfilm Stummfilm

Himmelskibet (1918)

Der Science Fiction-Film widmete sich in über 100 Jahren Filmgeschichte nur am Rande und eher beiläufig den naturwissenschaftlichen Spekulationen; (natur)wissenschaftliche Korrektheit im Sinne der Hard Science Fiction muss man in dem populären Genre beinahe schon mit der Lupe suchen: Schon in Méliès' "Le voyage dans la lune" (1902) geht es nicht allein um den (ohnehin keinen physikalischen Gesetzen Tribut zollenden) Flug zum Mond, sondern auch um die Konfrontation mit einer fremdartigen Kultur (in welcher andersartige/neuartige Technologien eher aus ethischer Perspektive von Interesse sind).
Größeren Raum nehmen im SciFi-Film eher die geisteswissenschaftlichen Spekulationen ein, die insbesondere dort von zentraler Bedeutung sind, wo es um die Entwürfe anderer Gesellschaftsformen ging. In die Zukunft blickend, reichten Filmemacher immer wieder Dystopien dar; in entfernte Räume vordringend, brachten sie auch vermehrt Utopien hervor - inspiriert von Utopia, Shangri La und natürlich den gesellschaftskritischeren Weltall-Erkundungen seit Voltaire, in denen die (nicht immer) fortschrittliche Reisemethode allenfalls schmückendes Beiwerk blieb.
Der am 22. Februar 1918 uraufgeführte "Himmelskibet" ist im Grunde die erste abendfüllende Utopie der Filmgeschichte: mutmaßlich von Albert Daibers Weltensegler-Bänden (1910/1914) inspiriert, geht es weit weniger um die wissenschaftlichen & technologischen Herausforderungen der Raumfahrt, wie sie von Kepler über Poe bis Verne und Welles mehr oder weniger fantasievoll behandelt worden sind (und wie man sie rund zehn Jahre später in Fritz Langs "Die Frau im Mond" (1929) erblicken konnte), sondern um die Verlockungen einer in jeder Hinsicht besseren Gesellschaft. Schon in der britischen (und ebenfalls abendfüllenden) Komödie "A Message from Mars" (1913) übt ein Marsianer auf Geheiß seiner Mit"menschen" einen guten Einfluss auf einen Erdling aus; doch im Gegensatz zu dieser moralischen Komödie widmet Holger-Madsen mit seiner Utopie gleich einer ganzen Marsianer-Gesellschaft seine Aufmerksamkeit: Deren moralische Stärke wird nicht bloß in Zwischentiteln behauptet, sondern ausgiebig (wenn auch recht naiv) vorgeführt.
Holger-Madsen hatte schon zuvor mit "Ned med vaabnene!" (1914/1915) und "Pax Æterna" (1917) pazifistische Filme gedreht, als gerade der Erste Weltkrieg ausbrach bzw. bereits tobte. "Himmelskibet" sollte gegen Ende des Krieges als Utopie dieser Richtung treu bleiben. Eine dänische Crew bricht in diesem Werk mit der Excelsior zum Mars auf - ausgerechnet zu jenem blutroten Planeten, der nach dem römischen Kriegsgott benannt worden war. Dort jedoch leben die Marsianer weiß gewandet und mit Kopfbedeckungen ausgestattet, welche an Babykäppchen gemahnen, in Harmonie, Frieden und Glückseligkeit miteinander. Selbst Sprachgrenzen trennen hier niemanden: Man hat es gelernt, sich ohne Wörter im konventionellen Sinne zu verständigen, was dem Stummfilm eigentlich entgegenkommen müsste, hier allerdings dennoch diverse Texttafeln nach sich zieht. Und in diesem Umfeld erweisen sich sehr bald die irdischen Eindringlinge zum Teil als unvernünftige Aggressoren, die - konsequent friedliebende - Korrekturmaßnahmen nötig machen...
Damit nimmt Holger-Madsen in Grundzügen vorweg, was später einige der besseren (da reflektierteren) SciFi-Filme der 50er Jahre zelebrieren sollten, allen voran Jack Arnolds großartiger "It Came from Outer Space" (1953).
Heutzutage ist dieser Film der als einer der letzten Hits die ruhmreichen 10er Jahre des dänischen Kinos ausklingen ließ - ein wenig in Vergessenheit geraten: Immerhin wurde er 2006 restauriert und in den letzten Jahren auch in Deutschland wieder aufgeführt. Det Danske Filminstitut bietet den Streifen in ihrer Reihe Danske Stumfilmklassikere auf DVD an: Fassungseintrag von Intergalactic Ape-Man


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