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von PierrotLeFou

Vor 75 Jahren: Wolfgang Staudte wiederholt sich

Stichwörter: 1940er DEFA Deutschland Jubiläum Klassiker Komödie Propaganda Remake Satire Spielfilm Staudte Zensur

Die seltsamen Abenteuer des Herrn Fridolin B. (1948)

Vor etwa 80 Jahren schrieb Wolfgang Staudte mit Kollegen an einem Drehbuch für eine satirische Komödie, dessen Verfilmung lange auf sich warten ließ: Die Geschichte eines Mannes, dessen Bemühungen um eine Eheschließung daran scheitern, dass ein anderer Mann seine Papiere gestohlen hat und sich die geraubte Identität vom bürokratischen Apparat nicht ohne weiteres wiederherstellen lässt, war zwar schon 1944 im Kasten, doch der nationalsozialistischen Zensur war das in Teilen nicht genehm. Und so blieb "Der Mann, dem man den Namen stahl" bis Kriegsende unveröffentlicht, um in der jungen Nachkriegszeit bald als weitgehend verschollen zu gelten. Also drehte Staudte den Stoff schließlich noch einmal, mit teils identischem Cast und Einstellungen aus dem früheren Werk durchsetzt: "Die seltsamen Abenteuer des Herrn Fridolin B." kam am 9. März 1948 in die Kinos und erneut wurde ein Herr Biedermann Opfer eines Gauners, der sich seiner Papiere bemächtigt. Dass diese Bürokratie-Satire im Nationalsozialismus ebenso wie in der Nachkriegszeit gedreht werden konnte, kann irritieren: Es belegt zumindest, dass "Der Mann, dem man den Namen stahl" kein wahrlich subversiver Film war, der sich zaghaft gegen das NS-Regime richten wollte; bedenkt man, dass die weit über 200 Jahre alte Kritik an bürokratischen Strukturen im Nationalsozialismus auch von den Nationalsozialisten selbst betrieben worden ist, dürfte vielmehr einleuchtend erscheinen, dass er überhaupt aufgrund einer potentiellen Tauglichkeit für propagandistische Zwecke produziert werden konnte, auch wenn Details dann sicherlich Verwunderung oder gar erhebliche Verärgerung bei den Zensoren ausgelöst hatten... (immerhin hätte es Staudte daraufhin beinahe aus dem Regiestuhl an die Front verschlagen.) Verwunderlich bleibt aber voll und ganz der Umstand, dass Staudte, der mit "Die Mörder sind unter uns" (1946) ein Werk des Umbruchs abgeliefert hatte, mit "Die seltsamen Abenteuer des Herrn Fridolin B." eine eigene NS-Produktion wiederholte, deren Thema, die Bürokratie-Kritik, vom Vormärz bis heute durchgängig ein deutsches Steckenpferd zu sein scheint.
Mit Brüche und Kontinuitäten 01 ist bei Studio Hamburg eine DVD-Edition erschienen, in der "Die seltsamen Abenteuer des Herrn Fridolin B." und das erst 1996 – lange nach Staudtes Tod – rekonstruierte Original neben vier weiteren Filmen aus der NS- und der Nachkriegszeit vorliegen: Fassungseintrag von Kayfabe


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