Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1920) & Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1920) & Der Januskopf - Eine Tragödie am Rande der Wirklichkeit (1920)
Achtfach wurde Robert Louis Stevensons berühmter Kurzroman "The Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde" (1886) vor der Etablierung des Langspielfilms bereits umgesetzt: In den Jahren 1908-1915 entstanden kurze Adaptionen, die auf ganz unterschiedliche Weise die populäre Doppelgängervariante umsetzten: Mit "Alles nur geträumt"-Pointe in Dänemark, farbig in Kinemacolor schon 1913 oder parodistisch variiert. Erst 1920 gelangt der Stoff erstmals als Langfilm auf die Leinwände – und das auch gleich noch dreimal...
Den Beginn machte John S. Robertsons "Dr. Jekyll and Mr. Hyde", der mit dem großen John Barrymore in der/den Titelrolle(n) erstmals am 18. März 1920 aufgeführt worden ist. Doch trotz der relativen Kürze der Vorlage und der relativen Länge dieser Verfilmung gibt es auch hier entscheidende Abweichung. Vor allem aufgrund der enormen Bekanntheit der zu diesem Zeitpunkt bereits 34jährigen Geschichte löste Robertson das Geheimnis um Mr. Hyde bereits früh in einer ersten Verwandlungsszene auf, die über Jahre hinweggroße Bekanntheit beim US-Publikum genoss und verschiedentlich parodiert worden war. Zu den weiteren Abweichungen zählt auch der Rückgriff auf das seinerzeit populäe Bühnenstück Sullivans & Mansfields einerseits und auf Oscars Wildes artverwandten Roman "The Picture of Dorian Gray" (1890) andererseits. Damit bringt Robertsons Horrordrama auch eine erotische Komponente ein, welche den Diskussionen über einen entfesselten Sexualtriebs Hydes Rechnung trug und zugleich aus kommenden Verfilmungen kaum noch wegzudenken war.
Bei Kino Lorber liegt der hierzulande nur in billigen DVD-Varianten erhältliche Stummfilm in einer Deluxe Edition auf BluRay vor (Fassungseintrag von Hank Quinlan 1958), die auch den folgenden Film (als nur noch fragmentarisch erhaltene Fassung) enthält.
Schon im April 1920 kam dann mit "Dr. Jekyll and Mr. Hyde" die nächste Verfilmung in die Kinos: erneut eine US-Produktion, diesmal unter der Regie J. Charles Haydons, der hiermit seinen letzten und zugleich seinen bekanntesten Film ablieferte, wenngleich er mit dem Ergebnis nicht zufrieden war. Denn auf Veranlassung des Produzenten Louis Meyer, der Urheberrechtsschwierigkeiten befürchtete, wurde diese Verfilmung in New York angesiedelt, was auch budgetmäßig reizvoll gewesen sein dürfte. Das verschreckte freilich bereits Puristen, die einen Stoff der victorian gothic nicht in solcher Form akzeptieren mochten. Dass hier wie zehn Jahre zuvor bei August Blom zudem auf eine Pointe zurückgegriffen wird, die alles bloß als bösen Alptraum Dr. Jekylls ausweist, schmälerte den künstlerischen Erfolg des Films zusätzlich. Und auch Sheldon Lewis konnte mit Maske und Spiel nicht an den Eindruck heranreichen, den John Barrymore hinterlassen hatte, um den Stoff damit über die gesamte Dekade hinweg zu prägen.
Am 26. August 1920 gelangte dann in Deutschland eine ebenfalls freie Verfilmung durch F. W. Murnau unter dem Titel "Der Januskopf" zur Uraufführung. Murnau, der kurz darauf auch mit seiner Stoker-Verfilmung "Nosferatu - Eine Symphonie des Grauens" (1922) wenig Interesse an Urheberrechtsfragen zeigte, vermixte hier - so lässt es die zeitgenössische Kritik erkennen - mit seinem Drehbuchautoren, dem "Caligari"-Koautoren Hans Janowitz, etwa E. A. Poe, E. T. A. Hoffmann und H. H. Ewers mit Stevensons Roman, dessen Grundzüge weitgehend gewahrt geblieben sein sollen. Im Gegensatz zu den vorherigen Verfilmungen ist Murnaus Version wie der Großteil seines frühen Schaffens nicht erhalten geblieben. Conrad Veidt, der schon im Rahmen von "Unheimliche Geschichten" (1919) an einer horriblen Stevenson-Umsetzung beteiligt war, agiert hier in der Doppelrolle als Dr. Warren und Mr. O'Connor. An seiner Seite steht zudem kein geringerer als Bela Lugosi, der Warrens Bediensteten gibt. Aber nicht bloß Horrorfilm-Liebhaber haben daher Grund zu trauern: Glaubt man den Beteiligten, so musste zwar die hochambitionierte Verwandlungsszene durch eine Behelfslösung eingetauscht werden, aber Kameramann Karl Freund soll u. a. eine Fahrt über eine emporführende Treppe umgesetzt haben, ehe er aus Termingründen durch Carl Hoffmann ersetzt werden musste. Und auch die Kritiken, die sich finden lassen, sprechen zu großen Teilen in Superlativen, heben Veidt und Darstellerin Margarete Schlegel neben dem Schnitt, der Kamera, den Tricks, dem Spannungsbogen und der Regie hervor. Bedenkt man, dass Murnau ohnehin keinen einzigen mittelprächtigen Film abgeliefert hat und dass seine Beiträge zum phantastischen Film ("Nosferatu" & "Faust" (1926)) zu seinen Meisterleistungen zählen, so ist der Verlust seines "Januskopfes" hochgradig bedauerlich.
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