Blithe Spirit (1945), Close Encounter (1945)
Noël Coward, hierzulande eher unbekannt, war der Star der britischen Theaterszene während der 1920er bis 40er Jahre – Schauspieler, Autor, Komponist, Selbstdarsteller, (homosexueller) Dandy, kurz, ein Medienphänomen und Publikumsmagnet ohnegleichen. Denn Coward, der selbst aus bescheidenen Verhältnissen stammte, sprach mit seinen Theaterstücken sowohl die Mittelschicht als auch die Upper Class an, beherrschte einerseits die leisen Töne intimer Dramen und andererseits scharfzüngige Wortgefechte voller Witz und Esprit. In den Jahren zwischen 1942 und 1945 kam es zu dem Glücksfall, daß der aufstrebende Regisseur David Lean vier Filme drehte, die auf Stücken von Coward basierten oder für die dieser das Drehbuch lieferte: den Propagandafilm „In Which We Serve“ (1942), die Familiengeschichte „This Happy Breed“ (1944, Anniversary-Text), die Komödie „Blithe Spirit“ und schließlich das Liebesdrama „Close Encounter“ (beide 1945). Die beiden letztgenannten könnten, obwohl im gleichen Jahr erschienen, gegensätzlicher nicht sein.
„Blithe Spirit“ kam am 5. April 1945 in die Kinos und geht das Wagnis ein, angesichts des immer noch tobenden Weltkrieges den Tod komödiantisch zu betrachten: Ein schnodderiger Gentleman (Rex Harrison, der in seiner Darstellung viel von Cowards Wesen abbildet) wird vom Geist seiner toten Ex-Frau gepiesackt, nachdem dieser versehentlich in einer Séance mit einem Medium (Margaret Rutherford, bevor sie als Miss Marple international berühmt wurde) heraufbeschworen wurde. Die sich daraus ergebenden Verwicklungen sorgen für ein vergnügliches Kammerspiel, in dem die präzisen Dialoge mit ihren Punchlines paßgenau sitzen und das durchaus als eine Satire auf die „Probleme“ und die Lebensart der oberen Gesellschaftsschicht gesehen werden kann.
„Close Encounter“ wiederum, der seine Premiere am 19. November 1945 feierte, schlägt einen gänzlich anderen Ton an und gilt heute als das wichtigere, ja das wichtigste Werk der Lean-Coward-Kooperation. Der Film spielt im gutbürgerlichen Milieu und schildert das völlig unerwartete Ereignis, daß sich zwei nicht mehr ganz junge Menschen mit fest vorgezeichneten Bahnen (sie sind verheiratet, haben Kinder und genaue Vorstellungen vom Rest ihres Lebens) noch einmal verlieben und somit alles, was sie bisher erreicht haben, in Frage stellen. Eingebettet in eine narrative Flashback-Struktur treffen sich eine Frau und ein Mann einmal in der Woche an einem Bahnhof und verbringen ein paar Stunden miteinander. Celia Johnson und Trevor Howard bringen unter Leans einfühlsamer Regie das Gefühl des Aus-der-Bahn-geworfen-seins auf den Punkt und spielen die wechselnden Gefühlszustände zwischen Erstaunen, Euphorie, Scham und Verzweiflung mit authentischer Zurückhaltung. Bemerkenswert ist der Einsatz des zweiten Klavierkonzerts von Rachmaninoff als Filmmusik, das teils intra-, teils extradiegetisch zum Einsatz kommt und in Großbritannien seither untrennbar mit „Brief Encounter“ verbunden ist.
Anders als etwa bei der berühmten Filmemacher-Partnerschaft von Powell & Pressburger, die viele Jahre andauerte, gingen Coward und Lean nach vier gemeinsamen Filmen wieder getrennte Wege – die Karriere von Coward hatte ihren Zenit überschritten, die von Lean dagegen gewann zunehmend an Fahrt und sollte in Leinwandepen wie „Lawrence von Arabien“ (1962) und „Doktor Schiwago“ (1965) gipfeln. Während "Blithe Spirit" in den Augen Cowards mißlungen war, mochte Lean zeitlebens "Close Encounter" nie als Erfolg betrachten (schuld war eine katastrophale Testvorführung, die er nicht vergessen konnte), doch glücklicherweise hat die Nachwelt ihr eigenes, angemessenes Urteil gefällt. Im englischsprachigen Raum genießen die vier Lean-Coward-Filme einen ausgezeichneten Ruf und werden durch entsprechenden Blu-ray- und DVD-Ausgaben gewürdigt (etwa von der Criterion Collection in den USA). Bei uns ist immerhin „Brief Encounter“ als DVD erschienen (Fassungeintrag), der als Abschluß und Höhepunkt der Zusammenarbeit von Noël Coward und David Lean gilt.
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