La morte accarezza a mezzanotte (1972) & Un bianco vestito per Marialé (1972) & Amore e morte nel giardino degli dei (1972)
Der giallo, sinnlich und hochstilisiert, gerade in seiner Reinkarnation als Neo giallo à la "Amer" (2009) oftmals ein wahrer audio-visueller Rausch, verhandelte im Kern die fehleranfällige Auslegung von Wahrnehmung- wie Erinnerungsbildern (oder -klängen). Beliebt waren neben den Ohren- und Augenzeugen, die bloß flüchtig ein Ereignis wahrnehmen und mit einer höchst unvollkommenen Erinnerung arbeiten müssen, rätselhafte Gemälde, Zeichnungen, Fotografien, Filmaufnahmen und Tonbänder, deren Kontext man nicht kennt...
Der am 4. Dezember 1972 uraufgeführte "Amore e morte nel giardino degli dei" von Sauro Scavolini ist insofern ein typischer giallo, geht es hier doch um ein Tonband, das sein Geheimnis preisgibt. Zugleich ist die Hauptfigur eine sehr untypische Figur: ein Ornithologe, geduldig lauschend und beobachtend. Und allmählich gibt es erste Abweichungen vom Muster: Das Tonband gibt kein rätselhaftes Fragment vor, dem eine Suchbewegung nachfolgt, sondern erzählt (wenn auch nicht am Stück) eine Geschichte, die das Kinopublikum dann auch zu Gesicht bekommt: in vergleichsweise giallotypischeren Bildern, in die sich Erika Blanc harmonisch einfügt. Und der alte Ornithologe gleicht dabei einem nüchternen Filmzuschauer, der alles genau verfolgt. Und ganz am Ende, wenn die Geschichte in seinen Alltag einzudringen scheint, bleibt er seltsam passiv, verfolgt den Lauf der Dinge, um dann bei sich bietender Gelegenheit kaltblütig zu handeln... Insofern ist Scavolinis giallo fast schon eine Art Gegen-giallo, der schon beim Vorspann und fortan immer wieder einmal unterkühlt und zurückhaltend anmutet; und der einen anderen Umgang mit Tönen (und Bildern) vorstellt; einen ruhigen, gewissenhaften Umgang, der eher passiv bleibt, aber dabei auch Fehlschlüsse meidet, der Unsicherheiten Unsicherheiten möglich sein lässt und sie nicht durch schnell ins Auge gefasste Möglichkeiten ersetzt...
Mehr? Review von horror1966
Sauro Scavolinis Bruder Romano Scavolini hingegen lieferte unmittelbar vorher mit dem am 30. November 1972 uraufgeführten "Un bianco vestito per Marialé" einen giallo ab, der einen anderen Bezug der Hauptfiguren zu Bildern und Tönen verwendet. Hier sind es die Kindheitserinnerungen, die dem Publikum mit dem Prolog mitgegeben werden. Scavolini, der hiermit eine Art Vorstufe zu seinem "Nightmare" (1981) ablieferte, lässt die junge Titelheldin Marialé dem tödlichen Eifersuchtsdrama ihrer Eltern zuschauen, das blutig enden wird. Dreißig Jahre später wohnt sie noch immer im selben Schloss im selben Wald: Dieselben Eindrücke um sie herum, dieselben blutigen Erinnerungsbilder im Kopf. Als sie sich dann Bekannte einlädt, kommt es abermals zu Ausgelassenheit, die blutige Folgen nach sich zieht. Das Trauma im giallo war vielfach – und so auch hier – auf den Spuren von "Psycho" (1960) ein Wink, das Bilder nicht nur falsch kontextualisiert, erinnert und gedeutet werden können, sondern dass die (Erinnerungs-)Bilde im Kopf auch die Wahrnehmung der Wirklichkeit beeinflussen können...
Auch hierzu hat sich horror1966 in einem ausführlichen Review geäußert...
Noch etwas früher hat Luciano Ercoli mit dem am 17. November 1972 uraufgeführten "La morte accarezza a mezzanotte" nicht nur seinen zweiten Karrierehöhepunkt neben "La morte cammina con i tacchi alti" (1971) vorgelegt, sondern auch einen Mittelweg hinsichtlich des Bezugs zwischen Hauptfiguren und Bildern und Klängen präsentiert: hier ist nicht klar, ob die Bilder und Klänge von außen wie bei der Sinneswahrnehmung auf die Figur einwirken, oder ob sie als Erinnerunen quasi von innen wirken; denn ähnlich wie bei hellsichtigen oder prophetischen Träumen wird die Heldin, ein Fotomodell, hier Opfer einer neuartigen Droge, woraufhin sie Visionen eines martialischen Mordes hat, der auf ähnliche Weise dann auch ereignet... Zumindest hält Ercoli diesen Ansatz über lange Zeit durch, lenkt den Blick des Publikum eher auf das Zustandekommen (also auch die Herstellung) von Bildern, ehe er gegen Ende sein Geheimnis erklärt...
Mehr? Review von Psst!
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