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von PierrotLeFou

Vor 50 Jahren: Godard radikalisiert sich, Caution nimmt Abschied, Constantine beginnt einen Imagewechsel

Stichwörter: 1960er Agentenfilm Constantine Frankreich Godard Jubiläum Klassiker Nouvelle-Vague Parodie SciFi Spielfilm

Alphaville, une étrange aventure de Lemmy Caution (1965)

"À bout de souffle" (1960) mag die Landschaft filmischer Ausdrucksmittel nachhaltig verändert haben, aber zusammen mit "Une femme est une femme" (1961) war es noch ein leichter und bei allen Filmzitaten recht verständlicher Godard. Mit "Vivre sa vie: Film en douze tableaux" (1962) wurden seine Zitate und Anspielungen hintersinniger, wurde das Anliegen ernsthafter; in den nächsten fünf Jahren - was zwölf Langfilmen und sechs Kurzfilmen entspricht - wurden Godards Filme mehr und mehr zum Tummelplatz für diverse philosophische, soziologische, situationistische Assoziationen, deren Form mehr und mehr zu einer Bricolage-Ästhetik geriet und die eine Dramaturgie mehr und mehr verdrängten.

"Alphaville", am 05. Mai 1965 uraufgeführt, lässt sich - wie "Pierrot le fou" (1965) und "Made in USA" (1966) - zu einem großen Teil als ironische Hommage an den Genrefilm betrachten, verlangt dem Publikum aber auch jede Menge Aufmerksamkeit, Kenntnisse und Reflexionsbereitschaft ab, um zwischen Hoch- & Popkultur pendelnd seinen Kampf zwischen Menschlichkeit und reiner Rationalität zu vermitteln. Paul Éluard & Comics, Flaubert & pulp-Romane lauern an allen Ecken und Kanten, die Nouvelle Vague dreht den expressionistischen Stummfilm und den film noir durch den Wolf... Klischees der Sci-Fi - die Gesellschaftsform, die für Gefühle nichts mehr übrig hat, der Supercomputer, der alle(s) befehligt wie später in "2001: A Space Odyssey" (1968) oder "Colossus" (1970) - treffen auf film noir-Klischees, wenn Eddie Constantine seine Paraderolle des Lemmy Caution an Ikonen des film noir angleicht... und über alles legt Godard formale Spielereien und orakelhafte Querverweise, um über Totalitarismus, Technokratie und Logik, über Freiheit, Kunst und Emotion zu sinnieren, sodass der Film wohl weniger Genrefans, als vielmehr Cineasten gefallen dürfte. Für Hauptdarsteller Eddie Constantine war dieser Film ein Wendepunkt in seiner Karriere, eine Abkehr vom Lemmy Caution-Image, das er 1966 in Jess Francos Godard-geprägter Sci-Fi-Agenten-Parodie "Cartes sur table" noch ein weiteres Mal persiflierte, um anschließend eine Hinwendung zum Autorenkino à la Godard und Fassbinder zu durchlaufen...
Zweitausendeins liefert den Film gut & günstig in seiner hauseigenen Filmedition: Fassungseintrag von Digby


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