Qafqaz raqsi (1898) & Bibiheybatda neft fontani yangini (1898) & Balaxanıda neft fontanı (1898)
Den am 5. Juli 1858 in Charkiw geborenen Alexandre Michon kann man sich beinahe so aneignen, wie es einem beliebt: Mal gilt er aufgrund seiner französischstämmigen Familie und dem Erwerb einer Kamera der Gebrüder Lumière als Franzose, mal gilt er als Aserbaidschaner, mal als Russe – und könnte über seinen Geburtsort gar in die ukrainische Ecke gesteckt werden. Er teilt ein bisschen das Schisal der Manaki-Brüder, den Filmpionieren des Balkans, die ihrerseits von unterschiedlichen Seiten für sich beansprucht werden. Jedenfalls gilt der lange als Fotograf umtriebige Filmpionier als eine der wichtigsten Gestalten der ganz frühen russisch-/aserbaidschanischen Filmgeschichte: 20 Jahre bevor überhaupt die Demokratische Republik Aserbaidschan ausgerufen wurde, drehte der in Baku ansässige Pionier die ersten Filmaufnahmen in Regionen des heutiges Aserbaidschans. Einige davon wurden am 2. August 1898 erstmals aufgeführt, etwa der einen Volkstanz präsentierende "Qafqaz raqsi"; bekannter, da leichter erhältlich, ist allerdings "Bibiheybatda neft fontani yangini", der Bohrtürme und einen Brand in der Nähe von Baku zeigt. Teilweise wird auch die Uraufführung dieses Films auf den 2. August 1898 und die Aufnahme auf den 27. Juli 1898 datiert, während andere (weniger glaubwürdige) Quellen die Aufnahmen selbst erst auf den 4. August und die Uraufführung auf den 6. August datieren und wieder andere Quellen die Aufnahme auf den 6. August 1898 datieren und erste Vorführungen erst im Rahmen der Pariser Weltausstellung (teils auch gar erst jener im Jahre 1900) ansiedeln. So widersprüchlich die kursierenden Angaben auch sind, so klar und deutlich ist (freilich vor allem entstehungszeitbedingt) die schlichte Ästhetik dieses dokumentarischen Kurzfilms: Der Erboden nimmt bloß einen schmalen Bereich am unteren Bildrand ein, derweil zwei Türme das Bild dominieren, aber das eigentliche Schauspiel ist die Rauch- und Wolkenbildung am Himmel, die Dynamik und beständig wechselnde Formen in die Statik des Bildes bringt. Schöner als jeder Wasserspeier lässt der Film das Starre und das Fluide einander kontrastieren; eine Kombination, die zur Essenz des Kinos gezählt werden kann und noch 2014 in "Chafariz das Virtudes" dem 105-jährigen Filmemacher Manoel de Oliveira einen Kurzfilm wert war. Ästhetisch hat sich "Bibiheybatda neft fontani yangini" somit gut gehalten, während er als Dokumentarfilm zumindest heutzutage mehr Fragen aufwirft als Informationen darbietet. Für Verwirrung sorgt zudem oftmals die Verwechlung mit dem nahezu zeitgleich gedrehten "Balaxanida neft fontani" (1898), der wesentlich mehr Türme, aber lediglich eine klassische Öl-Fontäne präsentiert, deren Strahl an seiner Spitze vom Wind durch das ganze Bildfeld geweht wird, wobei er merklich zerstäubt.
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