The Picture of Dorian Gray (1945) & Das Bildnis des Dorian Gray (1970)
Oscar Wildes "The Picture of Dorian Gray" (1890/91) – der eventuell einzige Roman des Iren, sofern man davon absieht, den anonym erschienenen, so phantastischen wie pornografischen "Teleny" (1893) Wilde zuzuschreiben – ist nicht bloß ein Klassiker der phantastischen Literatur, sondern freilich auch ein gewichtiges Stück Weltliteratur, das auch wegen des homoerotischen Anstrichs und der im weitesten Sinne kunsttheoretischen Diskurse gewertschätzt wird – und neben Victor Hugos "Notre-Dame de Paris" (1831) und Robert Louis Stevensons "Strange Case of Dr Jekyll and Mr Hyde" (1886) zu den populärsten Schilderungen eines jeweils unterschiedlich gearteten Zusammenhangs zwischen gut/böse und schön/hässlich zählt.
Erstaunlicherweise hat Albert Lewin der Versuchung weitgehend widerstanden, seine am 1. März 1945 uraufgeführte Verfilmung mit gothic-horror-Attributen auszustatten, die sich in der ersten Hälfte der 40er-Jahre im Horrorfilm ("The Wolf Man" (1941)), im Kriminalfilm ("Ladies in Retirement" (1941)) oder im Melodram ("Jane Eyre" (1943)) entdecken ließen. Die erstaunlich sichere Inszenierung des – zu diesem Zeitpunkt über 25 Jahre nicht mehr (und noch nie im Tonfilmzeitalter) fürs Kino adaptierten – Stoffes, der hier um den homoerotischen Aspekt erleichtert und um eine stärkere Betonung des phantastischen Elements angereichert wird, richtet ihr Augenmerk eher auf die Thematik des künstlerischen Schaffens: nicht bloß, weil Dorian Grays Porträt hier wiederholt farbig innerhalb des eigentlich schwarz-weißen Films zu sehen ist, sondern auch wegen der inszenatorischen Raffinesse, mit der Lewin etwa die Inszenierung eines Bühnenstücks innerhalb des Films einfängt. Kunst wird hier zurückhaltend als künstlich, als eine Abweichung von der Normalität geschildert, welche zugleich einen erhellenden Blick auf ebendiese Normalität ermöglicht. Von den Horror- und phantastischen Filmen der zweiten Hälfte der 40er Jahre nimmt Lewins "The Picture of Dorian Gray" somit eine besondere Stellung ein, wird doch die komplexe Vorlage mit großen und keinesfalls selbstverständlichen Ambitionen umgesetzt. Der unter anderem George Sanders, Donna Reed, Angela Lansbury und Cedric Hardwicke umfassende Cast und Harry Stradlings Kamera tragen zum positiven Gesamteindruck dieser Literaturverfilmung noch bei, die auch hierzulande bei Warner auf DVD vorliegt (Fassungseintrag von Rufus T. Firefly), welche zwar vergriffen zu sein scheint, aber immer wieder auch recht günstig als gebrauchter Artikel angeboten wird.
Sieht man von acht TV-Versionen ab, die ab Anfang/Mitte der 50er Jahre entstehen, so vergeht neuerlich ein knappes Virteljahrhundert: Am 24. April 1970 kommt Massimo Dallamanos "Das Bildnis des Dorian Gray" in die Kinos. Dallamano, der gerade erst mit "La malizie di Venere" (1969) nach Sacher-Masoch einen der neuartigen modischen Erotikfilme jener Zeit gedreht hatte, liefert mit seiner Wilde-Verfilmung eine in den 60er Jahren angesiedelte Variante an, die an den Erfolg des vorangegangenen Erotikfilms anknüpft und weniger mit Dallamanos Thriller-Beiträgen zu vergleichen ist. Helmut Berger, Herbert Lom, Marie Liljedahl, Maria Rohm, Isa Miranda agieren in dieser jüngeren Verfilmung, die jedoch von der Kritik weitgehend unbeeindruckt aufgenommen worden war – und heute eher als Zeitgeist-Dokument und freilich als pleasure for the few unter 60er-/70er-Jahre-Euro-Genrekino-Fans von Interesse ist.
Eine Lanze bricht aber Moonshade in seinem Review für diesen Film.
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