Medea (1969)
In Italien, Syrien und der Türkei hatte Pasolini seine italienisch-deutsch-französische Koproduktion "Medea", für die er Operndiva Maria Callas in der Titelrolle gewinnen konnte und in dem noch Massimo Girotti und Laurent Terzieff agieren. Weit über 900 Millionen Lire hat das am 28. Dezember 1969 uraufgeführte Werk gekostet, das mit diesem Budget zum kostenspieligsten Film Pasolinis geriet. Doch seinen Ideen blieb Pasolini auch in dieser Großproduktion treu, radikalisierte sich womöglich sogar noch etwas und legte eine ausgesprochen sperrige Adaption der Vorlage von Euripides vor, welcher dementsprechend kein kommerzieller Erfolg beschieden war: "Medea" verfolgt die schon in "Edipo re" (1967) – und weniger deutlich auch in "Teorema" (1968) – vorhandenen Ansätze eines archaischen Films weiter, die Pasolini vor allem in "Appunti per un'Orestiade africana" (1970) konzentriert hatte. Die Idee einer Orestie trug Pasolini schon seit 1959 mit sich herum, 1968/1969 drehte er dann das Filmtagebuch mit seinen Skizzen einer afrikanischen Orestie, das Mythos und Moderne in Einklang bringen und unter Rückgriff auf das antike Griechenland Partei für die Länder der Dritten Welt ergreifen wollte. In "Medea", in dem sich noch eine Beschäftigung Pasolinis mit dem Religionswissenschaftler Mircea Eliade niedergeschlagen hat, lässt er Medeas Schicksal als vermeintliche Barbarin in der Fremde als einen Kulturenkonflikt erscheinen, der weit über ein tragisches Einzelschicksal hinausreicht und die Kluft zwischen dem Heiligen und dem Profanen, zwischen säkularisierter Industrienation und Dritter Welt mit ins Boot holt. Wenngleich die Filmkritik schon früh die Qualitäten der kommerziell nicht gerade erfolgreichen Films wahrgenommen hat, so gehört "Medea" doch zu einem der Filme Pasolinis, die über die Jahre zunehmend an Bedeutung gewonnen haben.
Preisgünstig ist der sperrige Klassiker in der Zweitausendeins Edition auf DVD zu bekommen: Fassungseintrag von TakaTukaLand
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Dem Dank kann ich mich nur anschließen. PierrotLeFou macht das ganz toll – und ich fühle mich ebenfalls hervorragend betreut! 🙂
Mit etwas Verspätung nun auch noch mein jährlich wiederholtes Dankeschön an PierrotLeFou, der diese einzigartige Kolumne mit schier unerschöpflicher Energie betreibt und uns Gastschreiber immer vorbildlich betreut!
Auf viele neue Entdeckungen von alten Filmen im Jahr 2020!
Auch diesmal sei wieder allen Usern ein guter Rutsch ins neue Jahr gewünscht!
2019 haben es natürlich wider einmal etliche spannende Titel nicht in Anniversary-Ecke geschafft: Unter den 1969er-Titeln etwa Lucio Fulcis empfehlenswerter früher Giallo “Una sull’altra” (1969), der argentinische Trash-Klassiker “La venganza del sexo” (1969), Haskell Wexlers reflektiertes Drama “Medium Cool” (1969), Edgar Reitz Hoffmann-Verfilmung “Cardillac” (1969) als typisches Zeitgeist-Produkt, die rumänische Familien-/Fantasy-Perle “Tinerete fara batrînete” (1969), Chabrols “Que la bête meure” (1969) und sein “Le boucher” (1969), der subversive brasilianische Avantgarde-Spielfilm “Matou a Família e Foi ao Cinema” (1969), de noch subversivere venezolanische Avantgarde-Kurzfilm “Basta” (1969) von Ugo Ulive, Mario Handlers uruguayische agitatorische Kurz-Doku “Líber Arce, liberarse” (1969), Narciso Ibáñez Serradors Horrorthriller “La residencia” (1969), Pim de la Parras Thriller “Bezeten – Het gat in de muur” (1969), Garrells Avantgardestreifen “La lit de la vierge” (1969), Henri Verneuils “Le clan des Siciliens” (1969), Ginsbergs undergroundiger “Coming Apart” (1969), Duras formvollendeter, eigenwilliger “Détruire, dit-elle” (1969), Helmut Herbsts Doku “Deutschland Dada” (1969), der Edgar Wallace-Gruselkrimi des it. Horrorfilmpioniers Riccardo Freda “A doppia faccia” (1969), Robert Hosseins Euro-Western “Une Corde, un Colt” (1969), Robert Altmans “That Cold Day in the Park” (1969), Ken Loachs großer Klassiker “Kes” (1969), Harun Farockis wütender Agitprop-Kurzessay “Nicht löschbares Feuer” (1969), Gillo Pontecorvos Marlon Brando-Klassiker “Queimada!” (1969), Kalatozows stargespickter Abenteuerfilm “Krasnaya palatka” (1969), die Italowesternkomödie “Ehi amico… c’è Sabata, hai chiuso!” (1969) oder Lev Kulidzhanovs mehrstündiger Dostoyevsky-Film “Prestupleniye i nakazaniye” (1969).
Unter den 1994er Titeln Robert Redfords “Quiz Show” (1994), Emmerichs SciFi-Blockbuster “Stargate” (1994), Peter Jacksons Drama “Heavenly Creatures” (1994), Hanekes “71 Fragmente einer Chronologie des Zufalls” (1994), der skandalträchtige “Aftermath” (1994) von Nacho Cerda, die erfolgreiche Ralf-König-Komödie “Der bewegte Mann” (1994), John Waters satirischer “Serial Mom” (1994), die britische Erfolgskomödie “Vier Hochzeiten und ein Todesfall” (1994), Lars von Triers kultige TV-Serie “Riget” (1994), Godards Selbstbespiegelung und Selbstporträt-Reflexion “JLG/JLG” (1994), Kaurismäkis mittellange Komödie “Pidä huivista kiinni, Tatjana” (1994), Lawrence Kasdans Biopic-Western “Wyatt Earp” (1994), der Zeichentrick-Katzenkrimi “Felidae” (1994) oder die nach wie vor noch sehr beliebte Horror-/Fantasy-Comicverfilmung “The Crow” (1994) von Alex Proyas mit Brandon Lee.
Unter den 1944er Titeln tummeln sich etwa “Scotland Yard greift ein” (1944), “Bluebeard” (1944), “Die Maske des Dimitrios” (1944), “None Shall Escape (1944), Clarence Browns beliebter Kinder-/Tierfilm “Kleines Mädchen, großes Herz” (1944), “The Curse of the Cat People” (1944), “Ali Baba und die vierzig Räuber” (1944), “Frankensteins Haus” (1944), “Die Perle der Borgia” (1944), “The Mummy’s Curse” (1944) & “The Mummy’s Ghost” (1944), unter den 1919ern etwa “The Wicked Darling” (1919), Fritz Langs “Harakiri” (1919), der nur noch fragmentarisch erhaltene Lon-Chaney-Klassiker “The Miracle Man (1919), Holger-Madsens Asta Nielsen-Klassiker “Die Fackelträger” (1919) oder die Chaplin-Filme “A Day’s Pleasure” (1919) & “Sunnyside” (1919)… und nicht zuletzt das 1894er Pionierstück “Sioux Ghost Dance” (1894)…
Und auch mit dieser Aufzählung sind die lohnenswerten Titel freilich nicht abgedeckt…
2020 geht es dann wieder einmal in eine neue Dekade, sodass die Anniversary-Ecke nun die 10er- und 60er-Jahre verlässt und in die 20er- und 70er-Jahre vordringt. Zudem kommen auch am Rande vermehrt einige 1895er-Titel vor, nachdem zuvor bloß das Zeichentrickpionierwerk “Pauvre Pierrot” (1892) berücksichtigt worden ist…
Gestemmt wird die Masse von weit über 130 Titeln an über 120 Terminen auch in der neuen Dekade wieder auch von ratz und Stefan M, bei denen ich mich auch in diesem Jahr wieder einmal für ihre jahrelange, so engagierte wie zuverlässige Mithilfe bedanken will!
Eine schöne Silvesternacht allen Usern! Und morgen geht es dann bereits mit dem Neujahrsbonustitel weiter, der diesmal die 1995er 100-Jahresfeiern angesichts der ersten Aufführungen der Lumières und Skladanowskys aufgreift und somit auf die Anfänger der Kinofilmkunst zurückblickt…