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von PierrotLeFou

Vor 50 Jahren: Buñuels letzte Schaffensphase beginnt

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Belle de jour (1967)

Bis "La joven" (1960) oder gar bis "El ángel exterminador" (1962) erstreckte sich die mexikanische Phase Buñuels, die zu seiner produktivsten, aber nicht unbedingt zu seiner beliebtesten Phase zählt, wenngleich er sich in dieser Phase zum renommiertesten Filmemacher des Landes mausern konnte. Diese Phase beginnt nach gut zehnjähriger Regie-Abstinenz und einer kurzen Hollywood-Phase im Jahre 1946 mit den Dreharbeiten für "Gran Casino" (1947). Es folgen zwanzig weitere Filme, bei denen es sich fast durchweg um mexikanische Produktionen oder zumindest um mexikanisch-europäische Koproduktionen handelt - wie z.B. der französisch-mexikanische "La mort en ce jardin" (1956), der sein lateinamerikanisches Dschugel-Abenteuer mit Paris-Eindrücken auflockert: ein kurzes Aufflammen von Buñuels surrealistischen Vorlieben. Dieser Film ist Bestandteil einer losen, vornehmlich für französische Geldgeber gedrehten Trilogie, die als Trilogie der Revolution bekannt ist; zu ihr zählen noch "La fièvre monte à El Pao" (1959) und der Erstling "Cela s'appelle l'aurore" (1956): eine auf Korsika gedrehte, italienisch-französische Koproduktion und der einzige Film, den Bunuel zwischen 1946 und 1962 völlig ohne mexikanische Beteiligung bewerkstelligte. Mit "Viridiana" (1961) kommt es zu einem weiteren Einschnitt in der mexikanischen Phase: Buñuel dreht für diese spanisch-mexikanische Koproduktion erstmals seit über 20 Jahren in seinem Heimatland Spanien und liefert einen seiner skandalumwittertsten Filme seit "L'âge d'or" (1930) ab. "El ángel exterminador" ist im Jahr darauf wieder eine rein mexikanische Produktion, in welcher der surrealistische & scharfzüngige Tonfall wie schon in "Viridiana" ausgeprägte Züge gewinnt und vor allem an Buñuels französisches Frühwerk erinnert. Eine rein franzöische Produktion ist dann auch "Le journal d'une femme de chambre" (1964), der Buñuels jüngste Entwicklung vorantreibt. Nun folgt das gescheiterte Vorhaben, die gothic novel "The Monk" (1796) zu verfilmen: Buñuel schreibt ein Drehbuch, welches Ado Kyrou 1972 mit Franco Nero in der Hauptrolle als "Le moine" (1972) verfilmt, doch die Finanzierung ist unsicher. Also geht Buñuel noch einmal auf einen Vorschlag mexikanischer Produzenten ein und dreht in Mexiko den kurzen "Simón del desierto" (1965): Ein kleiner Film, der am Ende ebenfalls unter Finanzierungsschwierigkeiten litt und der Buñuels letzte Arbeit in Mexiko darstellt.

"Belle de jour", der am 24. Mai 1967 in Frankreich seine Uraufführung feierte, stellt dann gewissermaßen den Beginn des rein europäischen Spätwerks dar, für welches Buñuel meist am enthusiastischsten gefeiert wird. Bereits die Cast- & Crew-Angaben lesen sich hervorragend, wirkt doch quasi die Crème de la Crème des europäischen Kinos mit: Jean-Claude Carrière als Autor, Catherine Deneuve, Michel Piccoli, Macha Méril und Jean Sorel unter den Darsteller(inne)n und mit Resnais- und Greenaway-Kameramann Sacha Vierny hinter der Kamera... Sein erster Farbfilm seit einem guten Jahrzehnt ist auch vergleichsweise opulent ausgefallen und gibt jene Ästhetik vor, an welche Buñuel die wieder verstärkt auftretenden, surrealistischen Aspekte bis zum Ende seiner Karriere binden sollte.
Zugrunde lag ein Roman von Joseph Kessel, den Buñuel aufgrund seiner Melodramatik nicht so recht schätzte, dem er allerdings in seinen Grundzügen treu bleibt, wenngleich er das bittere Unhappy End der Vorlage durch eine wundersame Ambivalenz ein wenig auflockert. Die Geschichte einer vernachlässigten & gelangweilten Ehefrau, welche ihre sexuellen Fantasien als Prostituierte auszuleben gedenkt, um im Ausleben der Lust zugleich eine Tragödie für ihr eheliches Liebesleben auszulösen, faszinierte das Publikum seinerzeit mit seiner frivolen Erotik, die bisweilen deutliche Spuren des von Buñuel vergötterten Marquis de Sade aufweist - und immer wieder von Buñuels eigenwilligen Humor durchzogen wird. (Wer erinnert sich nicht an die geheimnisvoll surrende Schatulle, die der asiatische Kunde der leicht ratlosen, leicht verschreckten Prostituierten hinhält?) Viele Traum- & Wunschbilder, die den Film zu einem Erotik-Film par excellence werden lassen, tragen zusätzlich zum Reiz dieses Films bei, in dem vor allem auch die Stars bestechen: Michel Piccoli besticht mit einer seiner schönsten Rollen, die er Jahre später für Manoel de Oliveiras etwas enttäuschendes Sequel "Belle toujours" (2006) wiederholen sollte. Deneuve, die sich de Oliveira 40 Jahre darauf nicht zu Verfügung stellen mochte, bleibt neben Piccolis süffisanten Verführer als sehnsuchtsvolle, devote Schöne etwas blass, überzeugt in dieser blassen Rolle aber vollkommen. Und vor allem ist Pierre Clémenti zu erwähnen, der hier Deneuves fatalen Liebhaber gibt - als eine Art Verbeugung vor Jean-Louis Barraults Dr. Jekyll-Verschnitt in Renoirs "Le testament du Docteur Cordelier" (1959).
Treffende Worte für Buñuels Klassiker liefert Vince in seinem so kurzen wie prägnanten Kurz-Review.


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