Jagdszenen aus Niederbayern (1969)
12 Jahre nach seiner ersten Regiearbeit inszenierte Peter Fleischmann nach einem Stück von Martin Sperr seinen ersten Langspielfilm. Vorangegangen war diesem Projekt ein knapp 65minütiger Dokumentarfilm namens "Herbst der Gammler" (1967): Dort widmete er sich den als Gammlern verschrieenen Jugendlichen der auskommenden 68er-Generation, welche diesen Begriff teils als Selbstbezeichnung übernahmen, teils als Schmähbegriff ablehnten. In diesem Film ging es nicht zuletzt auch um den noch immer andauernden Fortbestand von Ansichten aus dem Dritten Reich, den Fleischmann noch in seiner letzten Filmarbeit analysieren sollte. Auch der im Mai 1969 uraufgeführte Spielfilm "Jagdszenen aus Niederbayern" nimmt sich dieser Thematik an, die keinesfalls bloß am Beispiel eines konservativen Niederbayerns entwickelt wird. Gleichwohl er einige niederbayerische Auswüchse durchaus beeindruckend in Szene setzt, zielt er auf gesamtgesellschaftliche Strukturen ab: auf den Hang von Außenseitern, sich durch Verunglimpfung anderer Außenseiter einer Mehrheit anzubiedern, und auf die Selbstgerechtigkeit von Mehrheiten insgesamt. Entsprechend der Vorlage Sperrs entwirft Fleischmann in diesem Film ein höchst ambivalentes Bild der Gesellschaft, in der es nur Täter gibt, die sich ihrer Täterschaft gar nicht bewusst sind, oder Opfer, die ihrerseits geradezu zwangsläufig in Täterrollen abrutschen. Homosexualität und Promiskuitivität werden ausgegrenzt, derweil die Normalität unter ihrer frömmelnden Oberfläche abgründige, vulgäre Züge erkennen lässt – und die Homosexuellen und die Promiskuitiven werden keinesfalls als saubere Unschuldslämmer einer repressiven Gesellschaft gegenübergestellt, sondern ihrerseits mit ziemlich unschönen Zügen ausgestattet. Und ähnlich wie drei Jahre zuvor bei Jan Nemec und Carlos Saura geraten auch hier die finalen Jagdszenen zur Parabel auf Spannungen innerhalb einer Gesellschaft, in welcher ein repressives Regime nachhallt. Und für Liebhaber des Neuen Deutschen Films ist Fleischmanns Langspielfilmdebüt auch noch deswegen ein Muss, weil hier zugleich Hanna Schygulla und Angela Winkler ihr Leinwanddebüt geben...
Ghost Shit lässt sich in seinem prägnanten Review über Inhalt und Qualitäten des Films aus, der bei EuroVideo in der Kino kontrovers-Reihe auf BluRay vorliegt: Fassungseintrag von Mr. Hankey
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