Dr. Jekyll and Sister Hyde (1971) & Mary Reilly (1996)
Robert Louis Stevensons Erzählung "Strange Case of Dr Jekyll and Mr Hyde" (1886) gehört nicht bloß zu den bekanntesten Texten des Autors, sondern ist als Klassiker der phantastischen Literatur eine beliebte Blaupause für allerlei Adaptionen und Abwandlungen. Die Hammer Studios haben den perfekt ins Bild ihres gothic horror-Images passenden Stoff in den frühen 70er Jahren adaptiert, als man selbst gerade dabei war, das hauseigene Konzept klassischen Horrors an die frische Ära des modernen Horrorfilms anzupassen. Mit dem am 17. Oktober 1971 uraufgeführten "Dr. Jekyll and Sister Hyde" von Roy Ward Baker griff man die gesellschaftlichen Entwicklungen in Sachen Sexualität auf, punktete aber nicht bloß mit noch mehr nackter Haut und weiblicher Homoerotik wie in der Karnstein-Trilogie, sondern bediente wie auch schon früher in "Frankenstein Created Woman" (1967) ein recht queeres Thema: Die Verflüssigung von Geschlechtergrenzen, die nicht zuletzt von androgynen Rock-Stars vorangetrieben wurde, in Großbritannien nicht zuletzt auch von den Kinks. Kein gereifter Horror-Star, sondern ein junger, charismatischer, attraktiver Ralph Bates verkörpert hier den Dr. Jekyll, der nach seinem verheerenden Selbstexperiment in eine attraktive femme fatale (Martine Beswick) mutiert, die sich / die er flugs als seine Schwester Hyde ausgibt. Damit greift der auf einem Drehbuch von Brian Clemens basierende Film auch jüngere Entwicklungen im Hinblick auf die Koppelung von Ethik und Ästhetik in diesem Stoff auf und lässt das Böse nicht mehr länger an das Hässliche gebunden sein; und erstmals seit Langem werden Jekyll und Hyde hier wieder von verschiedenen Akteuren verkörpert. Mehr zum Film verrät buxtebrawler in seinem Review.
25 Jahre später legte der britische Filmemacher Stephen Frears eine Romanverfilmung nach Valerie Martin vor, deren Vorlage bereits eine Abwandlung der Jekyll-&-Hyde-Stoffes darstellte: Der am 23. Februar 1996 uraufgeführte "Mary Reilly", den man im Rahmen von"Bram Stoker's Dracula" (1992), "Mary Shelley's Frankenstein" (1994) oder "The Mummy" (1999) in die von Autorenfilmern getragene Wiederbelebung des gothic horrors stecken kann, blickt mit namhafter Besetzung aus anderer Perspektive auf die populäre Geschichte: Julia Roberts, John Malkovich, Glenn Close und Michael Gambon tummeln sich in dieser Jekyll-&-Hyde-Geschichte, die nicht bloß aufgrund von Martins Literaturvorlage eine weibliche Perspektive aufweist... auch in der Geschichte selbst steht das Hausmädchen Mary Reilly im Mittelpunkt, das bei Dr. Jekyll zu arbeiten beginnt, eine intime Freunschaft mit dem Arzt eingeht und bald Zeugin unerhörter Ereignisse wird. Hier wie bei Roy Ward Baker wird der – seit der ersten großen Bühnenadaption auf die Geschichte des erotischen Begehrens eines Mannes abgewandelte Stoff – über queere bis feministische (oder besser: weibliche) Blickwinkel unterlaufen. Mehr zum Film verrät Jared Kimberlain in seinem Review.
Registrieren/Einloggen im User-Center