Pi (1998)
Gerade hat sich Darren Aronofsky nach 5 Jahren Pause mit "The Whale" (2022) wieder zurückgemeldet: ein stilles Drama nach Bühnenstückvorlage, in dem Brendan Fraser im Fat-Suit ein beachtliches Comeback mit einer Rolle von Belang feierte. Ganz so wie Mickey Rourke 14 Jahre zuvor in Arrenofskys "The Wrestler" (2008). Und auch wenn "The Whale" unter anderem von der Schwärze des Beginns eine grandios konzipierte Wandlung in gleißendes Licht vollzieht, dem "Signum der Transzendenz", wie Marcus Stiglegger angesichts von Arrenofskys "The Fountain" (2006) formulierte, bleibt "The Whale" wie "The Wrestler" ein eher konventioneller, wenngleich starker Film des Regisseurs, der etwa mit "The Fountain" oder dem eigenwilligen Blockbuster-Zerrbild "Noah" (2014), überzeugender noch mit "Black Swan" (2010) oder dem allegorischen "Mother!" (2017) für hochgradig originelle Ansätze bekannt ist.
Keiner dieser Filme konnte allerdings an die unfassbare Originalität seines Langfilmdebüts "Pi" (1998) oder die Durchschlagskraft seines folgenden Drogen-Dramas "Requiem for a Dream" (2000) anküpfen: Filme, die den Ruf des Regisseurs begründen, der danach vielleicht etwas angepasster erscheinen mochte, aber bis heute doch eigene Wege beschreitet. Der im Januar 1998 auf dem Sundance Film Festival uraufgeführte "Pi" nimmt sich die titelgebende Zahl – von der heute noch immer nur zwar stattliche 62,8 Billionen Nachkommastellen berechnet worden sind, aber eben ohne, dass ein Ende absehbar wäre –, um sich selbst die Aura ihres Geheimnisses umzuhängen. Die Hauptfigur müht sich als Mathematiker ihrerseits an der vielleicht wichtigsten Zahl der Mathematik ab. Als Kind hat sie einmal trotz des guten Rats der Mutter zulange in die Sonne geblickt – und schon hier taucht bei Aronofsky dieses "Signum der Transzendenz" auf –, bis heute lässt sie diese Suche nach Erkenntnis und Offenbarung nicht los. Passenderweise heißt sein Lehrmeister Sol. Aber so, wie ihn einst die Sonne blendete, geht die Suche nach einer vermeintlichen Weltformel mit Kopfschmerzen und paranoiden Schüben einher. Wobei die Figur aber allen Grund hat, paranoid zu reagieren: denn die Zahl, die schon Sol in seinen Pi-Berechnungen gestoßen war, wird auch von Wall-Street-Größen sowie von kabbalistischen Juden belagert, die sich von der Zahl ganz unterschiedliche Offenbarungen erhoffen. Juden und Wall-Street-Größen als bedrängende Kräfte? Was den Gedanken an antisemitische Verschwörungstheorien erwecken mag, wird vom jüdischen Filmemacher, der die Berechtigung solcher Gedanken schon 1998 in Abrede stellte, allerdings im Kontext einer fanatischer Fixiertheit und des Wahns vorgestellt. Die Lösung verlangt keine Aktionen im Außerhalb, sondern im Kopf: erst als der Mathematiker seine Notizen zerstört und sich gewissermaßen selbst mit einem Bohrer lobotomiert, kehrt endlich Ruhe ein, kann das Genie dem kreativen Wahnsinn entkommen, der die geheime Ordnung im Chaos aufzuklären gedachte. Am Ende liegt die Offenbarung dann vielleicht in dieser Ruhe: im selbstvergessenen Blick in Baumwipfel, in den Himmel... Klaustrophobische s/w-Bilder und Cyberpunk-Elemente tragen diese Geschichte, die ein wenig den Anschein macht, Aronofsky hätte die "Hammer House of Horror"-Folge "The Mark of Satan" (1980) mit dem Paranoia-Thriller nach 1968 und Midnight-Movie-Klassikern gekreuzt.
Die etwa 10 Jahre als Arthaus-Blu-ray des Films ist noch immer preisgünstig zu bekommen: Fassungseintrag von Akayuki
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