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von PierrotLeFou

Vor 125 Jahren: Ein früher tschechischer Spielfilmklassiker

Stichwörter: 1890er Jubiläum Klassiker Komödie Krízenecký Kurzfilm Österreich-Ungarn Spielfilm Stummfilm

Dostavenícko ve mlýnici (1898)

50 Jahre vor der Gründung der Tschechoslowakei, oder auch 100 Jahre vor dem Prager Frühling, Höhepunkt in der tschechischen Filmgeschichte, wurde Jan Krízenecký in Prag geboren. Als Beamtensohn schlug er zunächst eine Karriere beim Bauamt ein, dessen Steckenpferd aber die Fotografie sein sollte: Für das Stadtarchiv fotografierte er die Sehenswürdigkeit Prags mit tausenden Aufnahmen; ab 1896 erregte aber auch die Kinematografie seine Aufmerksamkeit. Krízenecký nahm Kontakt mit den Gebrüdern Lumière auf und begann 30-jährig, ab 1898 damit, dokumentarische Kurzfilme anzufertigen, die er ab dem 19. Juni 1898 im ersten tschechischen Kino zeigte, dass heutigen Vorstellungen eines Kinos freilich nicht entsprach. Einer seiner späteren Dokumentarfilme, "Jízda Prahou otevřenou tramvají" (1908), liegt mittlerweile auch als "Straßenbahnfahrt durch Prag" (1908) bei der Edition filmmuseum auf DVD vor. Bekannter ist aber der wohl Anfang Juli 1898 erstmals gezeigte "Dostavenícko ve mlýnici", mit dem Krízenecký kurze Zeit nach der Errichtung des ersten tschechischen Kinos auch den ersten tschechischen Spielfilm abliefert: ein Kurzfilm freilich. Vor einer Mühle, vor der die Schauspielerin zunächst das Plakat Cesky Kinematograf präsentieren, küsst ein Herr eine recht passiv bleibende Frau, ehe deren Gatte oder Vater aus der Mühle herauskommt und handgreiflich wird. Obgleich er schnell mit der Frau die Szenen verlässt, bleibt es für den kleinen Casanova unangenehm: Zeugen, die die Szene betreten haben, führen den Übergriff fort; der Schwerenöter duelliert sich also: Regenschirm gegen Besen. Die Wiederentdeckung dieses frühen tschechischen Spielfilms erlebte Krízenecký nicht mehr: 1912 endete seine Karriere als Filmschaffender zugunsten seiner Arbeit in verschiedenen Kinos, keine Dekade später war er bereits tot... gestorben am 9. Februar 1921, keine 2½ Jahre nach Gründung der Tschechoslowakei. Jiří Menzel, einer der beachtlichsten tschechischen Filmemacher in der Zeit nach dem Prager Frühling, sollte Krízenecký in seinem 110. Geburtsjahr ein Denkmal mit "Bájecní muzi s klikou" (1978, Die wunderbaren Männer mit der Kurbel) setzen.


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