Carlito's Way (1993)
"Scarface" war zehn Jahre her, als Brian de Palma und Al Pacino sich erneut für ein Filmprojekt zusammentaten. Hatte Pacino damals noch mit Tony Montana einen Kriminellen dargestellt, der seinen wenigen Grips durch umso mehr Rücksichtslosigkeit und Gewaltbereitschaft kompensierte, um vom Tellerwäscher zum ebenso gefürchteten wie nicht zuletzt durch seinen Drogenkonsum immer unberechenbarer werdenden Gangsterboss aufzusteigen und ebenso schnell wieder abzustürzen, ist sein Carlito Brigante in diesem Film eine deutlich gereifte Version der Montana-Figur, die, anstatt ständig Unruhe zu stiften, einfach nur ihre Ruhe haben möchte. Zwar besitzt er auch nach einem fünfjährigen Gefängnisaufenthalt noch einen Ruf wie Donnerhall, wünscht sich aber gleichzeitig nichts sehnlicher, als seine kriminelle Vergangenheit endlich hinter sich lassen zu können und auf den Bahamas ein neues Leben zu beginnen. Dabei gerät er aber unversehens wieder, wenn zunächst auch nur ungewollt, auf die schiefe Bahn.
Nicht ohne Längen, aber inszenatorisch gewohnt souverän und streckenweise brillant erzählt de Palma im (am 07. November 1993 uraufgeführten) Kriminaldrama "Carlito's Way" den Werdegang seines Protagonisten, der nach seiner Freilassung auf die falschen Leute setzt und damit immer mehr Feinde auf sich zieht, die ihm nach dem Leben trachten. Ähnlich wie bei Carlito hat dabei auch bei de Palma über die Jahre ein Reifungsprozess als Regisseur eingesetzt: Anders als in so manchem seiner anderen Filme zuvor entsteht über die vollen 140 Minuten nie der Eindruck, die (auf Literaturvorlagen von Edwin Torres zurückgehende) Handlung sei um die Suspense-Sequenzen herum inszeniert worden und somit nur notwendiges Beiwerk. Hier werden alle Szenen dafür genutzt, den Zuschauer wirklich für Carlito und sein Schicksal zu interessieren, sodass die langen, gänzlich schnittfrei erscheinenden Kamerafahrten zum tatkräftig unterstützenden Score von Patrick Doyle während der finalen Hetzjagd durch U-Bahn und Grand Central Terminal, bei der sich Carlito, nur noch wenige Minuten von einem kompletten Neuanfang entfernt, gleich einer Handvoll von Widersachern erwehren muss, nicht bloß rein oberflächlich spannend, sondern wahrhaft mitreißend sind.
Umso bedauerlicher, dass Brian de Palma seit diesem – in der Filmliteratur leider etwas im Schatten der Gangster-Epen von Martin Scorsese stehenden – Werk sein nach wie vor unbestritten vorhandenes Talent nur noch in Ansätzen hat präsentieren können und sich verstärkt auf zunehmend plumpe Weise nur noch müde mit Filmen wie "Femme Fatale" (2002) und "Passion" (2012) selbst wiederholte. Das soll jedoch die Qualität von "Carlito's Way" in keinster Weise schmälern.
Mehr? Review von McClane
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Wer den Film nicht kennt, hat was verpasst! Pacino at his best. Einer meiner Lieblingsthriller, dessen VHS ich geradezu verschlungen habe.