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von PierrotLeFou

Vor 75 Jahren: Agfacolor-Klassiker nach Storm als unscheinbare Propaganda

Stichwörter: 1940er Deutschland Drama Harlan Heimatfilm Jubiläum Klassiker Liebesfilm Literaturverfilmung Propaganda Raddatz Söderbaum Spielfilm Storm

Immensee (1943)

Aus Theodor Storms kurzer Novelle – in der sich die Erinnerung eines Alten an seine Jugendzeit und -liebe und eine vertane Chance so schnell verflüchtigt, wie sie gekommen war – hatte Veit Harlan 1943 ein Melodram in Agfacolor gemacht. Ein prestigeträchtiges und kostenspieliges Projekt, welches mehr oder weniger zugleich mit seinem folgenden Agfacolor-Streifen "Opfergang" (1944) entstanden war, um die hohen Kosten wenigstens ein bisschen einzuschränken. Herausgekommen war laut Harlans eigenen Aussagen seine einzige Regiearbeit aus Kriegszeiten, die gänzlich von Beanstandungen unbehelligt geblieben ist. Dennoch landete auch "Immensee", der sich seit seiner Uraufführung am 8. Dezember 1943 zu einem der erfolgreichsten Filme des Dritten Reichs entwickelt hatte, nach Kriegsende auf der langen Liste verbotener Propagandafilme. Das lag keinesfalls bloß am Ruf Harlans, der zu den berüchtigsten Propagandafilmern des Dritten reichs zählte, sondern durchaus auch an der Beschaffenheit des Films selbst. Denn Harlans "Immensee" – ab der Zeit des Neuen Deutschen Films meist als sentimentale Verkitschung Storms wahrgenommen, heute zunehmend wieder rehabilitiert und als formvollendetes elegisches Melodram gelobt – ändert Tonfall und Aspekte der Vorlage entscheidend ab. Hier gibt es keinen Alten, der sich erinnert und dann – aus den Erinnerungen gerissen – sogleich wieder an seine Studien macht; dieser ruhige, gelassene Umgang mit der Erinnerung wird hier durch intensive Gefühlswallungen ersetzt: Schwelgerische Musik dominiert den Einstieg ins Geschehen, das recht bald das einstige Liebespaar bei der gemeinsamen Erinnerung ihrer (gar nicht soweit zurückliegenden) Vergangenheit zeigt: Elisabeth (Kristina Söderbaum) trägt einen Witwenschleier, beide ertragen sie in der Rahmenhandlung wehmütig und ausgefüllt zugleich ihre frühere und bald wieder einsetzende Trennung voneinander, denn das Entscheidende sei die Treue, mit der Reinhardt (Carl Raddatz) seinen Pflichten und Elisabeth ihrer Heimatverbundenheit nachgegangen wären. In "Opfergang", dem fiebrig-schwelgerischen, todessehnsüchtigen Melodram des Verfalls, wird diese Moral der Entbehrung, Entsagung, Selbstlosigkeit und Aufopferung noch deutlicher zelebriert als in "Immensee", der auch zwischen der deutlich veränderten Rahmenhandlung mit den seufzenden Gesängen, der klagenden und immer wieder aufwallenden Musik, der Farbdramaturgie und selbst noch mit vereinzelten Kameraperspektiven und Bewegungen einen Gefühlsüberschwang und eine Glaubensinbrunst anpeilt, welche man in Storms Novelle so nicht findet. Für die vielen Szenen des Umarmens und Küssens und Schmachtens gilt dasselbe.
Der handwerklich und inszenatorisch durchaus souveräne, ideologisch zweifelhafte aber eben nicht explizit politische Film, der dann auch nie auf der Liste der Vorbehaltsfilme gelandet ist, wurde gemeinsam mit "Opfergang" vor wenigen Jahren restauriert bei Concorde veröffentlicht: Fassungseintrag von MMeXX


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