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von PierrotLeFou

Vor 100 Jahren: D. W. Griffiths zweiter großer Markstein

Stichwörter: 1910er Borzage Browning Drama Fairbanks Gish Griffith Historienfilm Jubiläum Klassiker Marsh Pallette Spielfilm Stroheim Stummfilm USA Vidor

Intolerance: Love's Struggle Throughout the Ages (1916)

Mit "The Birth of a Nation" (1915) hatte D. W. Griffith einen Markstein in die Filmlandschaft geknallt, dessen Einfluss auf einen Großteil aller späteren Filme des Weltkinos bis heute kaum zu unterschätzen ist. Im krassen Gegensatz zu dieser formalen Großtat steht die bedenkliche Ideologie des Films – samt einer durch den Roman "The Clansman" vorgegebenen Verherrlichung des Ku Klux Klan, die bei Griffiths übrigen KKK-Darstellungen keinesfalls üblich war –, die dem white supremacy-Gedanken folgt, allerdings auch den aggressiven Rassismus des Vorlagenautors Dixon durch ein auf Freundschaftlichkeit spekulierendes Konzept der 'Faithful Devotion [...] of An [..] Negro Servant' ("His Trust" (1911)) ersetzt, das er schon zuvor in einigen Kurzfilmen erprobt hatte. Schon seinerzeit wurde Griffiths Meisterwerk in dieser Hinsicht erbittert diskutiert.

"Intolerance: Love's Struggle Throughout the Ages" – der am 05. August 1916 seine Uraufführung erlebte –, war unter anderem auch eine Reaktion auf die Rassismus-Vorwürfe, denen sich Griffith zu seiner Verwunderung teilweise ausgesetzt sah. Zwar hatte er weniger die Intoleranz des weißen Rassisten, als vielmehr die Intoleranz seiner eigenen Kritiker, die seine Meinungsäußerung attackierten, im Auge, nimmt aber wieder von den aggressiveren Tönen aus "The Birth of a Nation" Abstand, um – wie einige frühere Werke und viele der folgenden Langfilme Griffiths – mit einem eher naiven, griffith-typischen gut-/böse-Weltbild ein friedvolles, aufgeschlossenes, verständnisvolles Miteinander zu propagieren, das immer wieder durch die Intoleranz des Menschen bedroht wird. Griffith kommt nicht mit einer einzelnen, konkreten Handlung zu dieser Aussage, sondern er beschreibt eine conditio humana anhand vierer Geschichten aus 2½ Jahrtausenden, die in die Gräuel des Ersten Weltkriegs und einen optimistischen Blick in eine bessere Zukunft münden. Wer "Cloud Atlas" (2012) oder "The Fountain" (2006) ernstlich originelle, innovative Konzepte bescheinigt, übersieht meist, dass der Keim ein knappes Jahrhundert zuvor gelegt worden war: Mit Lilian Gish als Eternal Motherhood weist der Film sogar ein metaphorisches Leitmotiv auf, dass alle Episoden aneinander kittet. Diese Verkettung wird noch unterstrichen durch eine radikalisierte Parallel-Montage, die nicht nur gelegentlich innerhalb der einzelnen Geschichten zum Einsatz kommt, sondern gleich dafür sorgt, dass alle vier Geschichten gleichzeitig bzw. abwechselnd dargeboten werden, anstatt bloß aufeinander zu folgen. Dass war dramaturgisch gesehen ein einflussreicher Kniff, der sich bei Buster Keaton ("Three Ages" (1923)) ebenso niederschlug wie bei Carl Theodor Dreyer ("Blade af Satans Bog" (1920)). Und weil Griffith seiner perfektionierten Inszenierungskunst aus "The Birth of a Nation" treu blieb und mit einem damals sagenhaften Budget von 2 Millionen Dollar in Sachen Kulissen und Ausstattung gerade mit der Babylon-Episode alles vorher Dagewesene – auch die großen italienischen Monumentalfilme der letzten fünf Jahre – in den Schatten stellte, ist ein formal beachtliches, inhaltlich etwas naives, aber unterhaltsames und dramaturgisch wegweisend verpacktes, in jeder Hinsicht ambiioniertes Drama dabei herausgekommen, das seinerzeit allerdings gehörig floppte (und in neuen Schnittfassungen später vielfach neu in die Kinos gebracht worden ist). Mit der Gish und mit Douglas Fairbanks, Mae Marsh, Robert Harron, Miriam Cooper, Eugene Pallette, Frank Borzage, Tod Browning, King Vidor und Erich von Stroheim sind zudem viele Stars und spätere Regie-Größen vor der Kamera zu sehen (wenn auch nicht immer zu identifizieren).
Eurekas schöne Masters of Cinema-Reihe präsentiert den Film und zwei seiner Kurzfassungen in einer 2-Disk-Edition auf BluRay: Fassungseintrag von Onedaeth


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