Des pieds et des mains (1915)
Wann genau aus dem vorsichtig tastenden Herumexperimentieren der frühen Filmpioniere der Avantgarde- und der Experimentalfilm im engeren Sinne hervorgegangen ist, dürfte kaum definitiv zu bestimmen sein. Eines der frühesten, vereinzelten Beispiele für beide Sparten stellt sicherlich Alice Guys "Effets de mer" (1906) dar; doch die erste wahre Welle einer Filmavantgarde setzt erst Mitte der 10er Jahre ein und zieht sich dann vor allem durch die 20er Jahre hindurch.
"Des pieds et des mains" steht 1915 gemeinsam mit Abel Gances "La Folie du Docteur Tube" (1915) am Beginn dieser Welle: Der Kniff, eine ganze Geschichte bloß über Hände und Füße der Figuren zu erzählen, war bereits nicht mehr neu - sondern hatte (auf Beinpaare beschränkt) schon in "La Journée d'une paire de jambes" (1909) Verwendung gefunden -, wird nun aber mit einer bewusster eingesetzten Kamera und einer routinierter beherrschten Montage umgesetzt; Hände und Füßen enthüllen nun vergleichsweise nuanciert die Gefühle der Figuren, die Leerstelle (die Abwesenheit des restlichen Leibs) ist nicht mehr einfach bloß da, sondern wird elegant umspielt... An der Seite des Filmemachers Gaston Ravel stand dabei als Regieassistent ein junger Jacques Feyder, der später etwa mit "L'Atlantide" (1920), "Crainquebille" (1922), "Visages d'enfants" (1925) und ganz besonders mit "La kermesse héroïque" (1935) in die Geschichto des französischen Kinos eingehen sollte.
Der Kurzfilm liegt in der empfehlenswerten Edition Gaumont. Le Cinéma Premier 1907 - 1916 vor: Fassungseintrag von PierrotLeFou. Wer auf engl. UT mancher Zwischentitel Wert legt, sollte zur amerikanischen Kino-DVD mit dem Titel Gaumont Treasures 2: 1908-1916 greifen, wobei diese gegenüber der französischen Edition leicht entschlackt daherkommen könnte (wie es bei Vol. 1 der Fall war).
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