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von PierrotLeFou

Vor 25 Jahren: Schroeter-Kuriosität nach Jelinek & Bachmann

Stichwörter: 1990er Bachmann Carrière Deutschland Drama Huppert Jelinek Jubiläum Klassiker Liebesfilm Literaturverfilmung Österreich Phantastik Schroeter Spielfilm

Malina (1991)

Werner Schroeter ist neben Hans-Jürgen Syberberg und Herbert Achternbusch einer der eigenwilligsten Vertreter des Neuen Deutschen Films, dem ein breiteres Publikum völlig verwehrt blieb, wohingegen seine Verehrer(innen) ihn umso glühender verehrten. Schroeter begann mit Anfang 20 Filme zu drehen: Amateurfilme auf 8- und 16-mm-Film, zum Teil in Zusammenarbeit mit Rosa von Praunheim entstanden... Der Hochschule für Fernsehen und Film München kehrte Schroeter schnell wieder den Rücken, das Inszenieren erlernte er beim Inszenieren nach & nach. Schon früh ist die Vorliebe für das Opernhafte bei ihm zu entdecken, in "Maria Callas Porträt" (1968) beispielsweise; und opernhaftes Pathos zeichnet auch seine bevorzugten, exzentrischen Darsteller(innen) aus: seine Muse Magdalena Montezuma vor allem, aber auch die transsexuelle Candy Darling aus Warhols Factory, die er für "Der Tod der Maria Malibran" (1972) gewinnen konnte. Seinen Durchbruch legte Schroeter mit "Eika Katappa" (1969), der zweistündigen, kaleidoskopischen Collage aus Versatzstücken der Opern-Ikonographie, vor: ein dicht gewobener Teppich aus Arien, Szenen und Motiven, die keiner linearen Handlung folgen. Es folgten weitere Opernfilme wie "Salome" (1971), "Macbeth" (1971) und "Der Tod der Maria Malibran", aber auch erste Spielfilme jenseits dieser Thematik: Die Historien-Satire "Der Bomberpilot" (1970) & das Emanzipations-Kriminalstück "Willow Springs" (1973) beispielsweise, schrill & exzentrisch der eine Film, elegisch & undergroundartig der andere... ein sozialkritischer Kommentar war in diesen Filmen kaum zu übersehen, verschärfte sich in späteren Jahren allerdings noch. Spätere Langfilme gerieten dann auch schon etwas konventioneller, blieben allerdings nach wie vor für ein Massenpublikum unverdaulich: "Neapolitanische Geschichten" (1978) und das Gastarbeiter-Drama "Palermo oder Wolfsburg" etwa, in denen Schroeter seine große Liebes fürs Mediterrane auslebt; oder "Tag der Idioten" (1981) über eine Frau, die sich vor der unwirtlichen Realität in ein Sanatorium flüchtet... Mit "Der Rosenkönig" (1986), Magdalena Montezumas letztem Film, bewies Schroeter allerdings seine Unberechenbarkeit und kehrte nochmals vollkommen unkonventionell und vehement zu seinen Operneinflüssen zurück.

"Malina" - uraufgeführt am 17. Januar 1991 - gilt dagegen als einer der konventionellsten Schroeters, was angesichts seines Gesamtwerks wenig heißt. Der Film basiert auf dem gleichnamigen Roman Ingeborg Bachmanns, der imaginär-autobiographischen Schilderung einer Identitätssuche, die Reich-Ranicki einst als "poetischen Krankheitsbericht" bezeichnete, während große Teile der Kritik von "Seelen-Exhibitionismus" sprachen; Elfriede Jelinek schrieb das Drehbuch für Schroeter, für den Poesie und Krankheitsbericht quasi gleichermaßen Leitmotive bildeten. Stärker als in anderen Filmen wird in diesem subjektiv erzählten Film die Grenze zwischen Realität und Imagination verwischt, wenn Isabelle Huppert zwischen zwei Männern (Mathieu Carrière, dessen starke Schulter sie braucht, und Can Togay, dem ihre Sehnsucht gilt) und Erinnerungen an den autoritären Vater (Fritz Schediwy) pendelt und ihre Vorstellungen nur sehr begrenzt als solche ausgemacht werden können. Und wie bei Bachmann steht am Ende dieser Selbstsuche ein (Sich-)Verlieren: Ein Verlieren des Verstandes, ein Verschwinden irgendwo in den eigenen vier Wänden (die in der zweiten Hälfte des Films immer heftiger in Flammen stehen). Ein zweifellos bildgewaltiger und klangvoller Film, der wie "Tag der Idioten" mit einer ungeheuerlichen Sogwirkung daherkommt; aber auch ein schwerer Brocken, der bei der ersten Sichtung und ohne Wissen um die Vorlage kaum zu entschlüsseln ist.
Dennoch ist "Malina" - wohl auch wegen seiner prominenten Besetzung - einer jener Schroeters, die hierzulande seit 2009 vermehrt auf DVD erscheinen. Gegen die Schroeter-Reihe von edition filmmuseum kommt die Concorde-DVD zwar nicht an, bietet aber gute Qualität für wenig Geld: Fassungseintrag von PatsyStone


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