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von PierrotLeFou

Vor 75 Jahren: Duvivier scheitert mit Tolstoy

Stichwörter: 1940er Drama Duvivier Großbritannien Jubiläum Klassiker Korda Leigh Liebesfilm Literaturverfilmung Spielfilm Tolstoy

Anna Karenina (1948)

Julien Duvivier war eine knappe Dekade zuvor eine Größe des poetischen Realismus: sein an der Grenze zum film noir angesiedelter "Pépé le Moko" (1937) schrieb als einer seiner gelungsten Filme Filmgeschichte. Prestigereiche Hollywoodfilme folgten, etwa der nur zum Teil von ihm inszenierte "The Great Waltz" (1938) oder "Lydia" (1941). Die britische Tolstoy-Verfilmung "Anna Karenina", die am 22. Januar 1948 erstmals zur Aufführung gelangte, hätte in Duviviers Phase der englischsprachigen Filme einer seiner Höhepunkte werden sollen: mit großen Stars, opulenten Sets, legendärer Romanvorlage, großen Gefühlen und großen Ambitionen. Doch seinen Ambitionenen konnte Duviviers nicht gerecht werden; sein Versuch einer freien Adaption der Vorlage scheiterte an den Vorstellungen des Produzenten Alexander Korda, das Endprodukt verfehlte anders als erwartet das ganz große Publikum. Das mag an der bloß 13 Jahre jüngeren Hollywood-Version mit Greta Garbo und Fredric March gelegen haben; oder daran, dass das Drama hier wenig dramatisch auf eine relativ zurückhaltende, etwas bieder wirkende Weise entfaltet wird. Die Kulissen jedenfalls und die Kadrage machen ordentlich was her, Vivien Leigh fügt sich zudem hübsch ins Bild... auf den geringen Erfolg des Films folgten jedenfalls die erheblichen Kürzungen, gerade auch hierzulande: gerade einmal 1¾ Stunden läuft die deutsche Version der ursprünglich fast 140minütigen Literaturverfilmung. Zu allem Überfluss kursieren inzwischen auch noch etliche Versionen dieses public domain-Titels in unteriridischer Qualität. Dennoch lohnt sich der Blick, denn trotz aller Schlappen zeigt "Anna Karenina" eindrucksvoll Duviviers inszenatorisches Geschick (wobei gerade in der Venedig-Episode die Vorliebe er französischen Schule für schillernde Wasseroberflächen noch einmal gut zum Tragen kommt); und wie jede ambitionierte Verfilmung großer Weltliteratur ist der Film für Liebhaber(innen) der Vorlage auch trotz dramaturgischer Schwächen eine Sichtung Wert; allein schon, um Vorzüge und Nachteile im Vergleich mit anderen Verfilmungen abwägen zu können.


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