Ludwig (1973)
Am 18. Januar 1973 gelangte Luchino Viscontis Abschluss seiner losen deutschen Trilogie zur Uraufführung: in Bonn sogar; in Italien war er erstmals im März zu sehen. Es ist das Opus Magnum in dieser Trilogie, vielleicht auch das Opus Magnum in Viscontis Œuvre: ein üppiger Vierstundenfilm, dessen überbordende Form gewissermaßen den Inhalt spiegelt. Ludwig II., der Bayernkönig, strebt hier nach Größe, lenkt seine Aufmerksamkeit erst ganz auf Richard Wagner, dem er sich als Förderer präsentiert, um vom Komponisten beinahe ähnlich drastisch ausgesaugt zu werden wie später Roger Daltrey als Franz Liszt in Ken Russells "Lisztomania" (1975); später richtet sich die Aufmerksamkeit dann auf Prunkbauten. Die Staatskasse gerät dabei aus dem Blick, der eigene Ruf ebenfalls; ebenso die eigene Gesundheit: am Ende trägt der Bayernkönig bloß noch grau-braune Stummel in seinen Kiefern, wird er für wahnsinnig erklärt werden, wird er mit Todesfolge ins Wasser gehen... Das sehnsüchtige Streben nach Größe, das man mehrfach als gerade Linie von der Romantik (auch über Wagners Antisemitismus) bis hin zum Nationalsozialismus zog, führt in den Untergang. Wie auch in "Morte a Venezia" (1971) und "La caduta degli dei" (1969) zeigen sich auch hier, bei Ludwig II., homoerotische Begierden: an die Stelle der anfänglichen Begeisterung für Sissi (Romy Schneider, die für Visconti nochmals zur einstigen Erfolgsrolle zurückkehrte) werden nächtliche Gelage mit nackten Burschen treten. Die Unfruchtbarkeit der schwulen Liebe mag in allen Filmen 8und wahrlich nicht zum letzten Mal in der Filmgeschichte) als problematisches Symbol dieses Wahns zum Untergang gedient haben: obgleich Visconti und sein hier in der Titelrolle brillierender Star selbst freilich in homosexueller Beziehung lebten. In Bayern stieß man sich seinerzeit freilich nicht am Problematischen dieses symbolischen Bildes, sondern daran, dass Ludwig II. überhaupt so sehr mit der Homoerotik in Verbindung gebracht worden war. Intention und und die damalige Rezension des Films waren Kinder ihrer Zeit. Die Beziehung von Romantik und Nationalsozialismus ist noch heute ein diskutables Themenfeld; ansonsten besticht der noch mit Trevor Howard, Silvana Mangano, Gert Fröbe und Helmut Griem besetzte "Ludwig" heute vor allem noch als großer Schwanengesang, als eindringlich, kraftvoll eingefangenes Scheitern eines größenwahnsinnigen Traums. Und lässt sich nicht nur gut als Abschluss der Trilogie Viscontis schauen, sondern auch als spannendes Double Feature mit Jürgen Syberbergs im Vorjahr erschienenen "Ludwig - Requiem für einen jungfräulichen König" (1972), mit welchem Viscontis deutscher Kollege eine ganz eigene deutsche Trilogie begonnen hatte, die mit "Hitler - Ein Film aus Deutschland" (1977) enden sollte.
Seit bald 5 Jahren liegt der Klassiker bei Filmjuwelen als Director's Cut auf Blu-ray vor: Fassungseintrag von dirkvader
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