Citizen Kane (1941)
Mit Bestenlisten bewegt man sich auf schwieriges Terrain: In wirtschaftlichen Bereichen mögen sie angebracht sein, wo Dividenden zusammengerechnet werden können, wo die Arbeitsleistung in Stunden gemessen oder die Produktivität anhand von hergestellten Stückzahlen ermittelt werden kann. In künstlerischen Kreisen werden sie eher abgelehnt, wer könnte schon sagen, wer der "beste" Komponist, der "beste" Maler oder Bildhauer sei - man ist gewillt zu differenzieren, Entstehungszeit und persönliches Umfeld der Künstler hinzuzuziehen. Im Film jedoch scheinen diesbezüglich andere Regeln zu gelten, vielleicht aufgrund des noch vergleichsweise jungen Alters dieser Kunstform oder weil sie schon immer eng mit genau kalkulierten Profitinteressen verknüpft war, gerade im Studiosystem des klassischen Hollywood-Films.
Orson Welles führte mit "Citizen Kane" schon bald nach seiner Premiere am 1. Mai 1941 über Jahrzehnte lang die wichtigsten Bestenlisten der Filmkritiker an, ja er wurde sogar zum "größten Film aller Zeiten" deklariert. Die Huldigungen von namhaftesten und bestinformierten Kritikern, Filmemachern und selbst vom Publikum sind Legion, es scheint, als könne weder die Zeit noch die Weiterentwicklung der Kunstform Film an der Idolisierung von "Citizen Kane" etwas ändern. Selbst wenn man versucht, sich von der erdrückenden Rezeptionsgeschichte zu lösen und einen unvoreingenommenen Blick auf die fiktive Biographie von Charles Foster Kane zu gewinnen, bleiben doch unbestreitbar viele gute Gründe für sich stehen, Welles' Film zumindest für außergewöhnlich zu erklären: Hier zeichnet ein gerade 26-jähriger Regisseur, der überdies Mitautor, Produzent und Hauptdarsteller ist, in seinem ersten abendfüllenden Spielfilm den mitreißenden und vielschichtigen Aufstieg eines Machtmenschen in der Blütezeit des amerikanischen Kapitalismus nach. Dies tut er mithilfe von komplexen Erzählstrukturen, einer außergewöhnlich durchdachten Bildgestaltung und hervorragenden Schauspielern (Joseph Cotten, Agnes Moorehead), die den Zuschauer emotional in die zerrissene Welt des nicht gerade sympathischen Titelhelden hineinziehen. Selbst wenn man das Prinzip Bestenliste oder die Idee, es gebe einen "größter Film aller Zeiten", aus guten Gründen rundheraus ablehnt, so bleiben diese Meriten doch unzweifelhaft bestehen: "Citizen Kane" ist eine Glanzleistung auf seinem Gebiet, ein Autorenfilm zu einer Zeit, als das Konzept noch nicht formuliert war, eine politische Parabel, die heute aktueller scheint denn je, ein künstlerisches Gesamtkunstwerk, das einen gar nicht zu überschätzenden Einfluß auf die Kunstform, die Gattung und das Medium hatte und hat.
Zum Glück ist dieser Meilenstein der Filmgeschichte in zahlreichen Varianten zu erwerben, auf vielfältigen DVD-Ausgaben sowie auf Blu-ray. Hier ist jedoch Vorsicht geboten, denn es sind zwei konkurrierende Fassungen auf dem Markt: Einmal die Ausgabe von Arthaus, die auf einem älteren, unrestaurierten Bildmaster beruht (Fassungseintrag von Andy-O), sowie die neuere Ausgabe von Warner, die den Film im Glanz einer digitalen Restaurierung erstrahlen läßt (Fassungseintrag von Mr. Hankey). Eine Prachtausgabe wie diejenige für den US-Markt bleibt uns in Deutschland leider vorenthalten, doch wer die Grandiosität des Films in wohlgesetzten und -überlegten Worten kommentiert sehen will, kann sich vertrauensvoll an das Review von Fastmachine wenden.
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