The Diary of a Chambermaid (1946)
Octave Mirbeaus erfolgreicher Sittenroman "Le Journal d’une femme de chambre" ist mittlerweile so einige Male verfilmt worden: zuletzt von Benoît Jacquot ("Le Journal d’une femme de chambre" (2015)), davor von Luis Buñuel ("Le Journal d’une femme de chambre" (1964)) sowie (mutmaßlich als Erstverfilmung) von Jean Renoir als US-amerikanische Verfilmung "The Diary of a Chambermaid", die erstmals am 15. Februar 1946 zu sehen war. (Hinzu gesellen sich noch zumindest zwei TV- bzw. Amateurfilme, Jess Francos freie Sexklamotten-Variante "Célestine... bonne à tout faire" (1974) und gerüchteweise noch eine russische Stummfilmversion aus dem Jahr 1916, über die derzeit kaum etwas bekannt ist.) Jacquots Version hatte nicht sonderlich viel Anklang finden können, einen ähnlichen Status wie die Romanvorlage selbst erzielte zumindest Buñuel – und an Renoirs Verfilmung scheiden sich die Geister bis heute.
Sein "The Diary of a Chambermaid" wandelt die Vorlage ähnlich stark ab wie Buñuels Verfilmung: während Letztgenannter die satirischen Bosheiten der Vorlage teilweise noch etwas zuspitzte und den um knapp drei Jahrzehnte später angesiedelten Stoff unter Auslassung mancher Aspekte der Vorlage in ein recht galliges, zeitgemäßeres Ende münden ließ, da gibt sich Renoirs Version weniger bissig: Auch bei Renoir gelangt die Kammerzofe Célestine (Paulette Goddard) in das Haus der Lanlaires, wo sie sogleich auch an den Bediensteten Joseph gerät, der ihr bald nachstellen wird, derweil ihr auch der wohlhabende Nachbar Mauger (Burgess Meredith) den Hof macht und sich die Hausherrin Madame Lanlaire als wahres Scheusal entpuppt – das Célestine benutzt, um den Sohn George im Hause zu halten und ihn von seiner geplanten Abreise abzubringen. Während Célestine bei Mirbeau letztlich den antisemitischen Kindsmörder und Vergewaltiger Joseph ehelicht und sie bei Buñuel der Verbindung mit Mauger zustimmt und sich den Aufstieg sichert, da kommt sie bei Renoir mit George zusammen, was dessen Mutter in dieser Form dann doch nicht so wollte, derweil Joseph – hier als einfacher Dieb und Mörder – von einem Mob gelyncht wird. Verglichen mit Mirbeau, der im Dunstkreis der Dreyfus-Affäre an seinem Roman schrieb, und mit Buñuel, der in seiner in den späten 20er Jahren angesiedelten Verfilmung mit großbürgerlicher Heuchelei und rechtsgerichteten Kräften abrechnete, an der er zur Zeit von "L'âge d'or" (1929) zu knabbern hatte, erscheint Renoirs Arbeit als zahmere Variante voller Eingeständnisse an Hollywood-Konventionen. Zudem boten die kaum authentisch anmutende Studio-Ästhetik und die sonderbaren Wechsel in Tonfall un Tempo den Kritikern allerlei Angriffsflächen. Gerade in diesen beiden Punkten kann man aber auch Vorzüge von Renoirs Verfilmung sehen, die dem etwas zu bisslosen Happy End zum Trotz immerhin auch so manche Heuchelei und Scheinfassade im Großbürgertum thematisiert.
Empfehlenswert ist die hiesige Arthaus-DVD des Films, die allerdings vergriffen und nur noch selten zu angemessenen Preisen zu haben ist: Fassungseintrag von Intergalactic Ape-Man
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