'Non', ou A Vã Glória de Mandar (1990)
Manoel der Oliveira verkörperte das portugiesische Kino wie kein anderer Filmemacher: Nicht bloß, weil er von 1928 bis 2015 ein ganzes Leben lang dem Film gewidmet hatte, sondern auch, weil die Bandbreite seines Schaffens vielschichtig und facettenreich aus der (eher geringen) Masse der portugiesischen Filme herausstach. Konnten seit den 60er, 70er Jahren auch Paulo Rocha, Fernando Lopes oder Antonio da Cunha Telles von sich reden machen, so dominierte dennoch in erster Linie de Oliveira den portugiesischen Film mit recht eigenwilligen Werken: In den 30er Jahren weckte er mit dokumentarisch-essayistischen Porträtfilmen Interesse, in den 40er Jahren legte er den erst später genügend gewürdigten "Aniki Bobo" (1942) vor, einen Kinderfilm in der Nähe zum (noch gar nicht so recht entstandenen) Neorealismus, in den 60er Jahren machte er mit den politisch auslegbaren, allegorischen Filmen "Acto de Primavera" (1963) und "A Caça" (1965) die Kritiker des Landes nach längerer Pause wieder auf sich aufmerksam und in den 70ern begann schließlich eine fruchtbare Schaffensphase, in welcher der über 60 Jahre alte de Oliveira allmählich die Hochzeit seines Schaffens erreichte, in der er surrealistische Einflüsse, extreme Theatralik, geschichtsphilosophisches Interesse, absurden Humor, Ironie und essayistische Strukturen auf immer neue Weise in unterschiedlicher Gewichtung miteinander kombinierte: "Le Soulier de satin" (1985), der siebenstündige Opernfilm nach Paul Claudel, und "Os Canibais" (1988), die phantastische, opernhafte, surreale Bourgeoisie-Satire, dürfen ohne Frage als Höhepunkte seines Schaffens gelten.
"'Non', ou A Vã Glória de Mandar" - am 26. September 1990 uraufgeführt - gilt gemeinhin als einer der erstaunlichsten Filme de Oliveiras und als einer seiner wichtigsten 90er-Jahre-Streifen: Ein halbes Dutzend Ebenen gibt es in diesem zweistündigen Film über portugiesische Geschichte; eine Gruppe von Soldaten, die in einer portugiesischen Kolonie in Afrika einem Kampf mit Guerilla-Kriegern entgegengeht, versucht ihre Situation und die Gegenwart Portugals durch die Vergangenheit zu begreifen, versinkt in historischen Ereignissen portugiesischer Geschichte zwischen dem 2. Jh. v. Chr. und dem 16. Jahrhundert, versinkt in Bespiegelungen portugiesischer Geschichte in portugiesischer Kunst, ehe der Leutnant der Gruppe am Tag der Nelkenrevolution einer Verwundung erliegt und sterbend die Vision einer neuen Zukunft durchlebt. "'Non', ou A Vã Glória de Mandar" ist sicherlich ein Film, vor dessen Sichtung man sich mit der Geschichte Portugals befassen muss, um durch die komplexe, anspielungsreiche Handlung zu finden - und dennoch wird man auch hinterher noch genug Namen und Daten nachschlagen müssen; insofern ist "'Non', ou A Vã Glória de Mandar" sicherlich kein leichter Film, womöglich ist es sogar der sperrigste de Oliveira. Aber nicht nur als lehrreiche Geschichtsstunde entschädigt der Film einen für die Mühe, die er einem auferlegt - auch mit seiner formalen Raffinesse dürfte er viele Cineasten begeistern: stilisierte Bildkompositionen, hervorragende Kameraarbeit, abwechselungsreiche Ausstattungen, pompöse Massenszenen, Theatralik und Surrealismus ergeben wild vermixt ein schillerndes Kaleidoskop, das weitgehend konkurrenzlos einen Platz in der Filmgeschichte gefunden hat.
Lusomundo hat auch diesem de Oliveira eine DVD mit engl. Untertiteln spendiert: Fassungseintrag von lwh512
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