Sweet Movie (1974)
Da gibt es eine Miss 1984, die nach einer Miss-Wahl medienwirksam den vermögenden Mr. Kapital mit seinem goldenen Gemächt heiratet, sich später wieder aus dieser Ehe flüchten wird und nach abenteuerlicher Reise bis hin in die Kommune Otto Muehls verschlagen wird; und da gibt es die – von der hiernach zum Exil aus ihrer polnischen Heimat genötigten Anna Prucnal gespielten – Kapitänin Anna Planeta, die mit großer Karl-Marx-Büste als Gallionsfigur durch die Niederlande dümpelt und Pierre Clémenti als Matrosen aufliest, um ihn beim Akt im großen Zuckerhaufen zu erstechen, den das Schiff transportiert. Dusan Makavejev hat sich nach dem eher dokumentarisch-essayistischen "W.R. - Misterije organizma" (1971, Anniversary-Text) abermals von einer konventionellen Dramaturgie verabschiedet und einen Film über die Lust gedreht, die hier als Bindeglied zwischen den einander gegenüberstehenden Systemen des Kalten Krieges fungiert. Sie ist vermarktbar und Ware, Moment des Selbstverlustes, Störfaktor der Ordnung. Entsprechend gelang es Dusan Makavejev dann auch, die Zensor(inn)en zahlreicher Länder in alarmbereitschaft zu versetzen. Dass der am 16. Mai 1974 uraufgeführte Streifen für seine subversiven Absichten auch auf die Otto Muehl Kommune zurückgriff, lässt ihn noch heute manche Gemüter erhitzen, führte doch Muehls Machtmissbrauch, der auch vor Minderjährigen nicht halt machte, dazu, dass (nicht nur) sein Wirken im Wiener Aktionismus teils als untrennbar mit dem späteren Kindesmissbrauch verknüpft gedacht worden war. "Sweet Movie" selbst ist indes ein ästhetisch spannendes, episodenhaft-abwechslungsreiches, viel- und uneindeutiges, unverschämtes Spiel mit lustvollem Auf- und Ausbruch, das teils gelungen enttabuisiert, teils drastisch den Reiz des Skandalösen bedient.
Immer noch empfehlenswert ist die bereits 17 Jahre alte Criterion-DVD: Fassungseintrag von Blutkehle
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