Lo straniero (1967)
Anna Karina hatte 1966 ein letztes Mal in einem Langfilm Godards mitgespielt, von dem sie sich - was sich bereits abgezeichnet hatte - 1967 trennte. Im Frühjahr 1967 war sie noch in seiner Episode "Anticipation, ou l'amour en l'an 2000" für den Omnibusfilm "Le plus vieux métier du monde" (1967) zu sehen. Seine zunehmende Politisierung und ästhetische Radikalisierung begleitete sie nicht mehr. Man könnte es bezeichnend finden, dass sie nun in der Verfilmung des existentialistischen Romans von Albert Camus auftritt - inszeniert von Luchino Visconti, der als Italiener seine neue Welle (den Neorealismus, der sich als Vorläufer der verschiedenen neuen Wellen der 60er Jahre betrachten lässt) bereits lange hinter sich hat und sich mit seinen über 60 Jahren inzwischen längst an sein Spätwerk gemacht hat. In der Hauptrolle agiert Marcello Mastroianni: Der attraktive Latin Lover, der vor allem auch dank Fellini in den 60er Jahren zunehmend als trauriger Grübler und charismatischer Melancholiker Erfolge feierte, agiert nun als stoischer, seltsam gleichgültiger Charakter, an welchen Camus/Visconti die existentialistische Aussage binden. Das alles atmet kaum etwas vom Zeitgeist: Der Nouvelle Vague scheint Karina meilenweit entrückt zu sein, dem neuen politischen Kino Godards ohnehin, und Visconti hatte sich schon lange von der Furiosität eines Frühwerkes wie "La terra trema: Episodio del mare" (1948) verabschiedet... Dass dieser Existentialismus im Vorfeld von 1968 nicht sonderlich zugkräftig war, verwundert im Rückblick eigentlich nicht. Und so kritisierte Alberto Moravia, dass es Mastroianni gar nicht möglich gewesen sei, diese künstliche Figur von Camus/Visconti glaubwürdig darzustellen; und Wolfram Schütte bemängelte sieben, acht Jahre darauf in Hansers Visconti-Band "die stilistische und geistige Uneinheitlichkeit des Films". Aus der heutigen Distanz kann man sich dem Werk - das ab dem 6. September 1967 bereits auf der Biennale zu sehen war und ab dem 20. Oktober in die Kinos gelangte - vielleicht unvoreingenommener nähern, auch wenn man mit der Ausrichtung des Films nicht völlig mitgehen mag: Denn es bleibt nicht zuletzt eine Anklage des Umgangs mit dem Fremden übrig, die innerhalb des Films an der französisch-algerischen Beziehung entwickelt wird, aber freilich auch verallgemeinert werden kann.
Ausgesprochen positive Worte findet Bretzelburger in seinem Review.
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