Taxi (1996)
Mit "Los Golfos" (1959) hatte der spanische Filmregisseur Carlos Saura nach einigen Kurzfilmen seinen international beachteten Durchbruch hingelegt: stilistisch innovativ und ideologisch bereits deutlich im Dunstkreis regimekritischer Vorbilder des Nuevo Ciné Español stehend, aber dann doch von einem weit weniger beeindruckenden "Llanto por un bandido" (1964) gefolgt. Sauras Hauptwerk setzt dann nach dieser frühen Phase mit "La caza" (1966) ein: Man kann es – wobei die Arbeiten bis zum Tode Francisco Francos im November 1975 von besonderer Relevanz sind – bis "Ay, Carmela!" (1990) ausgedehnt betrachten. Es gibt gute Gründe, im Schaffen ab 1992 ein (allerdings langes, bis heute anhaltendes) Spätwerk zu sehen: Ab 1992 inszenierte Saura zunehmend dokumentarische Filme, darunter "Sevillanas" (1992), der einer ganzen Reihe dokumentarischer Tanz- und Gesang-Filme vorangeht, welche eine Art dokumentarische Fortführung von Sauras früherer (spielfilmischer) Flamenco-Trilogie (1981-1986) darstellen. Neben Sport-Dokus wie "Marathon" (1993) folgten so etwa "Flamenco" (1995), "Salomé" (2002), "Iberia" (2005), "Fados" (2007), "Flamenco, Flamenco" (2010), "Zonda: folclore argentino" (2015) und "Jota de Saura" (2016), derweil Spielfilme von "Dispara!" (1993) bis "Io, Don Giovanni" (2009) zunehmend seltener wurden.
Vom Franco-kritischen Spielfilm-Regisseur hatte sich Saura in die 10er Jahre hinein zum Bewahrer traditioneller spanischer/lateinamerikanischer Tanzkultur entwickelt (und auch der Spielfilm "Tango" (1998) ist dabei freilich von Belang). Einer seiner acht Spielfilme seit 1992 gab sich jedoch noch einmal ganz explizit und unmissverständlich als politischer Kommentar zu verstehen: Vielleicht mögen Filme wie "¡Dispara!" (1993) oder "El 7º día" (2004) Sauras Hauptwerk mit seinen Politparabeln und allegorischen Satiren näherkommen, doch der am 9. September 1996 uraufgeführte "Taxi" zeigt Saura unverhohlen und überdeutlich von seiner politischen Seite.
Das war vermutlich den Umständen geschuldet, denn in den 90er Jahren begannen sich rassistische, nationalistische wie katholisch-fundamentalistische Organisationen und Parteien merklich auszubreiten und in der Gesellschaft Fuß zu fassen. Als Markstein gilt vielfach die Auflösung der 1966 gegründeten Círculo Español de Amigos de Europa (CEDADE), die nicht zuletzt für ihre Holocaustleugnung (besondersmedienwirksam im Jahr 1992) berüchtigt war. Was unter anderem ehemalige Falangisten und SS-Männer bündelte, zerfaserte nun einerseits in neue Splittergruppen wie die Alianza por la Unidad Nacional oder die Democracia Nacional, während etliche ehemalige CEDADE-Mitglieder sich nun als Individuen beruflich und/oder privat auf unterschiedliche Weise für ihre Anliegen stark machten. Saura reagierte schon früh auf diesen Prozess, der mit Blick auf den Erfolg der inzwischen als Rechtspopulisten gelabelten Gruppierungen bis heute anhält, wenngleich etwa das Verbot der 1999 gegründeten spanischen Blood-and-Honour-Sektion in Verbindung mit mehreren Haftstrafen in den Jahren 2010/2011 ein markantes Zeichen gegenüber dem Rechtsextremismus setzte.
In aller Deutlichkeit – weitgehend ohne die Ambivalenzen, Anspielungen und Allegorien seiner berühmten Meisterwerke aus den 60er und 70er Jahren – griff Saura diese Strömungen und Entwicklungen auf und zeichnete in "Taxi" das düstere, von Vittorio Storaro prächtig gefilmte Bild eines 90er-Jahre-Madrids, in dem kriminelle rechte Organisationen an einer Säuberung der spanischen Gesellschaft arbeiten...
Worum es genau geht, verrät die Inhaltsangabe von Shub...
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Passend zum Internationalen Tag gegen Rassismus ein “frühes Spätwerk” von Carlos Saura… Morgen geht es dann wieder ganz regulär weiter… 😉