Jeanne la Pucelle I - Les batailles (1994)
Jeanne la Pucelle II - Les prisons (1994)
Nach seiner Diderot-Verfilmung "Suzanne Simonin, la Religieuse de Denis Diderot" (1966) und der Emily Brontë-Verfilmung "Hurlevent" (1985) kehrte Jacques Rivette in den 90er Jahren wieder zum historischen Film zurück; ein vorletztes Mal – es folgte später nur noch "Ne touchez pas la hache" (2007). Diesem Genre hatte er sich in den genannten Werken bereits auf recht eigenwillige Weise genähert: "Suzanne Simonin, la Religieuse de Denis Diderot" gibt sich nicht bloß im Titel als Verfilmung einer Literaturvorlage zu erkennen, sondern mutet im Ganzen wie eine theatralische Inszenierung an, was eher eine etwas kuriose Ausnahme in Rivettes Werk blieb, wenngleich dieses vielfach Menschen des Theaters zu seinen Hauptfiguren machte: Dass Rivette die Geschichte 1963 bereits als Theaterstück inszeniert hatte, mag daran Anteil gehabt haben. "Hurlevent" hebt sich nicht nur mit seiner bulgarischen Folklore auf der Tonspur von übrigen Brontë-Verfilmung ab, sondern entschlackt auch die Geschichte selbst ganz gehörig und gelangt somit zu einer beinahe Rivette-typischen, entschleunigten Dramaturgie, in der eine konventionelle dramaturgische Verzahnung im Dienste der Spannungserzeugung weitgehend umschifft und durch die kleinen Nuancen und Details ersetzt wird. Allerdings gelang diese Taktik nicht gänzlich: Rivette, der es spannend fand, nach Wyler und Bunuel einen eigenen Zugang zum Stoff zu finden, erklärte später, dass sich Brontës Romanlogik dominant über seine Filmversion legte, die sich nicht allzu weit von der Vorlage entfernen und einen eigenen Atem gewinnen konnte.
Das gelang dann allerdings mit seinem Zweiteiler "Jeanne la Pucelle", der erstmals im Februar 1994 zu sehen war. Ein Zweiteiler, was angesichts des vergleichsweise großen Budget dieses Rivette-Films (40.000.000 Francs) kaum verwundert: Schon seinen 13-Stünder "Out 1" (1971) wandelte er in einer kommerziell verwertbarere 4stündige Kurzfassung um, dem Vierstünder "La belle noiseuse" (1991) stellte er ebenfalls eine zweistündige Variante zur Seite. "Jeanne la Pucelle" kam nun auf mehr als 5½ Stunden, die man auf zwei Filme verteilte: "Les batailles" widmet sich der Erfolgsgeschichte Jeanne d'Arcs, "Les prisons" behandelt dagegen den Niedergang.
Trotz der Länge und Budgets ist "Jeanne la Pucelle" allerdings kein episch-monumentaler Historienschinken, sondern ein typischer Rivette mit einer typischen Rivette-Heldin: Sandrine Bonnaire, seit rund zehn Jahren eine gewichtige Frau des französischen Autorenfilms, agiert hier als Jeanne d'Arc, die ausgesprochen menschlich erscheint: mal ängstlich, mal erheitert, mal schmerzgeplagt, mal entschlossen... Wie Dreyers asketische Stummfilmversion des Jeanne d'Arc-Prozesses, wie Bressons gestraffte Version neigt auch Rivette neuerlich zu einem seltsamen Minimalismus, der spektakuläre und mythische Bilder nur selten in Szene setzt und sich mehr auf die Alltäglichkeit seiner Jeanne konzentriert. An die Stelle von Dreyers Groß- und Nahaufnahmen rücken nun Totalen und Halbtotalen; anstelle von Bressons Raffung tritt nun die Ausdehnung ins Alltägliche. Und die teure Ausstattung ist zwar zu sehen, wird aber gewissermaßen durch die zurückhaltende Kameraführung überspielt: nicht Prunk und Opulenz der Ausstattung steht im Zentrum, sondern das Dazwischen... ein Dazwischen, das hier meistens kalt, karg, windig, unbequem und unwirtlich erscheint. All das wurde bisweilen als "antiheroischer" Ansatz aufgefasst, zugleich aber besteht kein Zweifel daran, dass Rivettes Film seine Hauptfigur ausschließlich positiv zeichnet und insofern dem Mythos Jeanne d'Arc durchaus treu bleibt. So wirft auch Rivette ähnlich wie Dreyer und Bresson einen frommen Blick auf seine Hauptfigur, deren Reinheit ihn fasziniert.
Im deutschen Raum noch immer nicht auf DVD oder BluRay veröffentlicht, liegt der Zweiteiler bei Artficial Eye englisch untertitelt und leider spärlich ausgestattet auf zwei DVDs vor: Fassungseinträge zu Teil 1 und Teil 2 von savethegreenplanet.
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