Le fantôme de la liberté (1974)
Seit dem in Zusammenarbeit mit Salvador Dalí entstandenen "Un chien andalou" (1929) war Luis Buñuel der Regisseur des Surrealismus schlechthin. Die avantgardistische Richtung erlebte im Film – dem filmischen Expressionismus ähnelnd – eine Art Ent-Avantgardisierung: sie wurde aus dem Kurz- ins Langfilmformat übernommen und eher dekorativ oder als Akzent ins narrative Kino verpflanzt, bestens geeignet für Traumsequenzen. Am Ende seiner Karriere kehrte Buñuel dann zum Surrealismus zurück, wobei der am 11. September 1974 uraufgeführte "Le fantôme de la liberté" in Sachen absurder Verknüpfungen diverser Einzelepisoden extreme Ausmaße anpeilt. Durchaus irgendwo zwischen "Monty Python's Flying Circus" (1969) und "The Kentucky Fried Movie" (1977) ansiedelbar, lassen Buñuel und sein renommierter Autor Jean-Claude Carrière Episode auf Episode folgen: Mal entpuppt sich eine Handlung als eine Art Binnenhandlung, von der in der nächsten Episode berichtet wird, mal folgt der Film einer Figur, um im nächsten Moment das Interesse auf eine andere Figur zu verlagern, derweil die Handlungen immer wieder arg absurd anmuten: Da sucht man ein vermisstes Mädchen, das indes anwesend ist und lautstark gegen sein angebliches Verschwundensein anredet, da empört man sich über Architektur-Fotografien, die ein älterer Herr auf dem Spielplatz an Minderjährige ausgehändigt hat, da sitzende rauchende, trinkende Mönche beim Skat zusammen, bis der zufällige Gast den Abend sprengt und sich von seiner Begleiterin auf nackte Hinterbacken peitschen lässt. Und noch die Montage beweist und schneidet vor dem dritten Versuch der Enthüllung eines Geheimnisses, dessen früheren Enthüllungsversuche jeweils unterbrochen worden waren, auf ein anderes Geschehen. Das ist hochgradig unterhaltsam und amüsant, durchsetzt mit Spitzen auf die Fesseln und Konventionen der Gesellschaft – wobei sich Buñuel natürlich gegen naheliegende Ausdeutungen des Titels sperrte – und darüber hinaus auch ein interessantes Spiel mit Strukturen des Erzählens, das beim Publikum den Sinn für die filmische Narration schärfen kann.
Mehr? Review von Petey Pretentious
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